Knochenzeichen
mittlerweile warm gewordenen Bier trank. Sie hegte nicht den geringsten Zweifel daran, dass Paulsens Behauptung zutraf. Sharper war nicht gerade der Typ Mann, bei dem eine Frau Illusionen von weißer Spitze und Organza entwickelte.
Zudem war sie sicher, dass er in dieser Hinsicht von schonungsloser Offenheit gewesen wäre. Vielleicht war es ja gerade das gewesen, was den Zorn der Frau entfacht hatte. Manche fanden Sharpers Art der Aufrichtigkeit verletzend. Doch nur wenige dürften sich darüber beklagen, dass sie nicht wussten, woran sie bei ihm waren.
Während sie an dem Kondenswasser rieb, das sich außen am Becher gebildet hatte, sagte sich Cait, dass sie es lieber mit einem Mann wie Sharper zu tun hatte als mit den meisten anderen, mit denen sie sich getroffen hatte. Männer, die mit allen Mitteln ihre wahren Absichten zu verbergen suchten. Männer, die sie schließlich zu der Überzeugung gebracht hatten, dass der Instinkt, auf den sie sich stützte, um die Motive eines Kriminellen herauszuarbeiten, sich nicht auf ihr Privatleben übertragen ließ. Was ihren Männergeschmack betraf, so hatte sie schon lange feststellen müssen, dass ihr Urteilsvermögen zu wünschen übrig ließ.
»Gibbs sagt, Sie arbeiten für eine Firma im Osten. Und dass Sie früher bei den Feds waren.« Paulsens Worte waren an Cait gerichtet.
Sie antwortete unverbindlich. »Ich habe tatsächlich fürs FBI gearbeitet, aber nur im Labor, nicht als Ermittlerin.« Und obwohl man dort ihre Mitarbeit geschätzt hatte, hatte sie gewusst, dass sie es niemals aus dem Labor heraus auf die Agentenlaufbahn schaffen würde. Nachdem sie begriffen hatte, dass sie genau das wollte, war sie immer unruhiger geworden. Sie erfuhr nie, wodurch sie Raiker aufgefallen war, doch sie musste nicht lange über sein Angebot nachdenken. Und sie hatte den Wechsel nie bereut. Ihre Arbeit für Raiker Forensics erlaubte ihr, ihre Ausbildung in forensischer Anthropologie und Molekularbiologie einzusetzen und zugleich an vorderster Front zu ermitteln. Bis jetzt schien alles perfekt zusammenzupassen.
Sie lächelte Paulsen nichtssagend an und beschloss, ihn ihrerseits ein bisschen auszuhorchen. »Was hat Gibbs denn sonst noch gesagt?«
Paulsen begriff durchaus, dass die Frage eine Art Köder war, und trat verspätet auf die Bremse. »Ach, nicht viel.« Er zuckte betreten mit den Schultern. »Auf den hört doch sowieso kein Mensch. Aber er ist in Ordnung.«
»Hey, Paulsen, spielst du mit oder nicht?«
Sichtlich erleichtert trat er den Rückzug an. »Ich bin mit fünf Dollar im Rückstand, und ich spiele aus Prinzip so lange, bis ich wieder auf null bin, ehe ich den Tisch verlasse.«
»Na, dann viel Glück.«
Paulsen versetzte Zach einen Klaps auf die Schulter und ging davon, während Sharper mit amüsierter Miene Cait anblickte. »Du musst ja eine gefürchtete Verhörspezialistin sein.«
»Ich habe ihn unterschätzt. Hab mir eingebildet, er würde voll in die Falle tappen.«
»Jodie ist schlauer, als er aussieht. Was ich in Bezug auf Gibbs allerdings nicht behaupten kann.« Er spielte mit seinem leeren Becher. »Bist du ihm draußen begegnet?«
Sie nickte. »Leicht zu erkennen, wo der Tratsch über den Fall zum Teil herkommt. Aber Barnes hat die Sache im Griff. Ich glaube nicht, dass Gibbs über Einzelheiten im Bilde ist.«
»Dann ist es ja gut.«
Erhobene Stimmen am anderen Ende der Bar weckten ihre Aufmerksamkeit. »Vielleicht sollten wir jetzt lieber gehen. So was eskaliert oft ziemlich schnell.«
Seine Empfehlung erschien ihr übervorsichtig. Soweit sie es überblickte, achtete niemand besonders auf den kleinen Mann mit dem lauten Mundwerk und seinen wesentlich größeren Kontrahenten. Außerdem war es noch früh. Viel früher, als Sharper zufolge mit Ärger zu rechnen war.
»Ich würde gern noch ein bisschen bleiben und mit ein paar Leuten reden.«
Sharper stand auf. »Wir müssen gehen.«
Verärgert blieb sie sitzen. »Geh ruhig. Ich finde auch allein zurück zum Motel, wenn …«
Ein Stuhl flog durch die Luft und schrammte knapp an ihrem Tisch vorbei. Der Bartresen schien zu explodieren. Männer stürzten von ihren Hockern und marschierten mitten ins Getümmel hinein, schwangen Fäuste und warfen hemmungslos mit Bierbechern. Zach zerrte sie fast gewaltsam in die Höhe. »Nimm deine Tasche.«
Sie kamen nicht weiter als ein paar Schritte, ehe ihr Abgang von einem Männermob blockiert wurde. Und einer Frau, wie Cait registrierte. Die ausgezehrte Blonde
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