Knochenzeichen
mitkommen. Betrachten Sie’s als Teil Ihrer Vereinbarung mit Sheriff Andrews.«
Von dem Blick, den er ihr daraufhin zuwarf, stiegen förmlich Rauchwolken auf. Doch er sagte kein einziges Wort mehr und gesellte sich wieder zu seinen Freunden.
Von sonderbarer Genugtuung erfüllt, wandte sie sich erneut zum Gehen – aber nicht, ohne seinem breiten Rücken und den schmalen Hüften einen letzten anerkennenden Blick zuzuwerfen.
Zach Sharper hatte so seine Art, eine Levis-Jeans auszufüllen. Nur weil sie sich Männern gegenüber mittlerweile klüger anstellte, bedeutete das nicht, dass sie tot war.
Im Auto angelangt, checkte sie ihr Handy und musste betrübt feststellen, dass sie einen Anruf in Bezug auf einen der Vermisstenfälle verpasst hatte. Als sie zurückrief, nahm niemand ab, und so hinterließ sie eine kurze Nachricht mit der Bitte, sie zurückzurufen, egal um welche Uhrzeit. Langsam wurde es zu einer Vollzeitbeschäftigung, mit den jeweiligen Ermittlern, die an den für sie relevanten Vermisstenfällen arbeiteten, telefonisch Fangen zu spielen.
Nachdem sie den kurzen Weg zum Motel zurückgefahren war, stellte sie den Wagen ab und verschloss ihn, ehe sie sich fragte, ob sie vielleicht auch einen Anruf von Barnes verpasst hatte. Doch in ihrer Anruferliste fehlte seine Nummer, und so schloss sie stirnrunzelnd die Tür zu ihrem Zimmer auf. Es sah Barnes gar nicht ähnlich, dass er sich so lange nicht meldete. Sie rief erneut bei ihm an, doch er ging auch diesmal nicht ans Telefon, sodass sie ihm eine weitere Nachricht hinterließ. Cait legte das Telefon auf die Kommode, ehe sie die Tür verriegelte und sich fragte, was den Mann den ganzen Tag so auf Trab hielt. Und ob es wohl mit ihrem Fall zu tun hatte.
Sie hatte ein Hemdchen und Boxershorts zum Schlafen angezogen und wusch sich gerade das Gesicht, als ihr Handy klingelte. Nach wie vor in Gedanken bei Deputy Barnes, eilte sie ins Zimmer hinüber und meldete sich. »So spät noch in der Arbeit?«
»Tja, also, ich hoffe doch sehr, dass du nicht mehr arbeitest, Schätzchen. Du weißt doch, wie es sich auf deinen Teint auswirkt, wenn du nicht deine zehn Stunden Schlaf bekommst.«
Cait schloss genervt die Augen. Genau aus diesem Grund schaute sie normalerweise immer vorher aufs Display. Es gab nichts Schlimmeres, als von einem Anruf von Lydia Fleming Smythe Regatta kalt erwischt zu werden.
»Mutter.« Da sie dringend eine Stütze brauchte, wandte sie sich um und lehnte sich mit der Hüfte gegen die Kommode. »Wie geht es dir?« Ihre Stimme klang gestelzt. Förmlich. Sie würden nie eine enge Beziehung haben, aber sie bemühte sich doch, verdammt noch mal. Müsste sie dafür nicht Pluspunkte bekommen?
»Ich bin restlos erschöpft. Jedes Mal, wenn wir fliegen, schwöre ich, dass es das letzte Mal ist. Seit wann ist Reisen eigentlich zu einer derartigen Mühsal geworden?«
Die Worte kamen Cait bekannt vor. Kristy hatte bei ihrer Ankunft in Eugene eine ähnliche Beschwerde geäußert, auch wenn sie sie ein bisschen drastischer formuliert hatte. Cait hatte Lydia in ihrem ganzen Leben noch kein unflätiges Schimpfwort aussprechen hören. Das brauchte sie auch gar nicht. Lydia konnte mit Worten so umgehen wie ein Chirurg mit seinem Skalpell, indem sie mit perfekt modulierter Stimme winzige Sezierungen am Ego ihres Gegenübers vornahm.
»Dann bist du also auf Reisen?«
»Ach du liebe Zeit, nein. Henri und ich sind nur gerade erst in dieser Minute zurück ins Penthouse gekommen.«
Henri. In Caits Kopf herrschte völlige Leere. Hatte Lydia wieder geheiratet? Hektisch durchsuchte sie ihr mentales Archiv, bis sie den Namen fand. Nicht Ehemann Nummer vier, Gott sei Dank – zumindest noch nicht. Der männliche Begleiter ihrer Mutter. Einer, den Cait nie gesehen hatte und den sie, wenn ihr Glück weiter anhielt, auch nie sehen würde.
»Wo wart ihr denn?« Die Frage hatte einen zehnminütigen Monolog vonseiten Lydias über die Strapazen einer Paris-Reise im Sommer zur Folge, wobei Cait die Augen schloss und den Wortschwall an sich abperlen ließ. Das Gespräch würde sehr wenig von ihr fordern, und dafür war sie dankbar. Zehn Minuten Füllstoff hieß, dass nur noch fünf folgen würden, in denen Cait die subtilen Spitzen und die weniger subtilen Attacken gegen ihren selbstgewählten Beruf abwehren musste.
Ein fünfzehnminütiges Telefonat war lang genug für die Erfordernisse der Höflichkeit, und an einem guten Tag nicht lang genug, um ihre Nerven zu
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