Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knockemstiff (German Edition)

Knockemstiff (German Edition)

Titel: Knockemstiff (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
Vom Netzwerk:
alles glimpflich ausgehen können, aber er war gerade auf einer verdammt guten Sauftour, und da hatte er noch drei Tage weitergetrunken, bevor ihn schließlich jemand ins Krankenhaus brachte, damit man ihm das Gesicht zusammenflickte. Zu dem Zeitpunkt hatte schon alles angefangen zu heilen, und es gab für die Ärzte keine Möglichkeit mehr, den großen Schnitt enger zusammenzuziehen. Es sei ein Wunder gewesen, dass er nicht verblutet sei, sagte Frankie.
    Als er dann schwieg und sich Butter auf einen Toast schmierte, erzählte Todd vom langsamen Dahinsiechen seiner Großmutter im Hinterzimmer des Hauses. Onkel Claude war jeden Tag vorbeigekommen, um nachzuschauen, ob sie schon tot sei, und er hatte ununterbrochen gejammert, der Gestank würde ihm noch alle potenziellen Hauskäufer verscheuchen. Todd riss sich zusammen, bis zu der Stelle mit ihrem letzten flachen Atemzug. »Sie war die einzige Mutter, die ich je hatte«, versuchte er herauszubringen, aber die Wörter flossen in den Tränen durcheinander. Frankie legte seine Gabel hin und zog für Todd eine Serviette aus dem Spender. Dann starrte er zum Fenster hinaus und stocherte in seinen Zähnen herum, bis Todd aufstand und bezahlte. In dieser Nacht schliefen sie im Wagen, und am frühen Morgen kauften sie drei Flaschen Thunderbird bei Gray’s Drugstore. Am Nachmittag waren sie betrunken, und als ihnen übel wurde, suchten sie nach einer festen Bleibe.
    Die Anglerhütte, die sie schließlich anmieteten, bestand nur aus zwei feuchten Kammern und einer mit Fliegengittern zugenagelten Veranda. Die alte Witwe Fleming aus der Stadt machte ihnen einen guten Preis, weil es weder Wasser noch Strom gab. Ihr Mann habe immer seine Huren dort hingebracht, erzählte sie. »Ich sollte die verdammte Bude niederbrennen, aber ich brauche das Geld«, sagte sie und gab Todd den Schlüssel. In einer Ecke der großen Kammer stand ein durchgerosteter Kohleofen, der im Sommer schwarze Wespen beherbergte und im Winter schwarzen Qualm spuckte. Jemand hatte mit Wachsmalfarbe lebensgroße Strichmännchen an die Wand gemalt. Aus den Mündern der verblassten Figuren floss Blut, selbst bei dem Hund oder der Katze oder was es auch sein sollte. Draußen gab es einen alten Brunnen aus schleimigen grünen Steinen, aus dem sie mit einem Eimer Wasser schöpfen konnten; es schmeckte nach Benzin. Sie tranken es nie, aber ab und zu weichte Frankie seine fauligen Füße darin ein.
    Die beiden hatten es nicht so mit Arbeiten. Ein paar Wochen nachdem sie zusammengezogen waren, kauften sie hundert Hits Strawberry Mescaline für neunzig Dollar. Sie schluckten ein paar, verkauften den Rest und besorgten sich eine neue Ladung. Frankie kannte jede Menge Leute, die meisten davon üble Kerle. Todd kümmerte sich um das Geld und war dabei auf seine eigene Weise tüchtig, aber er war auch vorsichtig. Er sorgte dafür, dass sie immer so viel verdienten, dass sie die Miete zahlen, Frühstücksfleisch und Brot kaufen und Frankie mit billigem Wein versorgen konnten.
    Die Kaffeedose mit seinem Erbe versteckte er hinter einem Stein im Brunnen. Seine braunen Haare wurden lang, und jedes Mal, wenn er einen Trip nahm, schnitt er eine Kerbe in den Türrahmen. Dann schaute er zu, wie sich die Strichfamilie an der Wand bewegte und sich immer wieder gegenseitig umbrachte. Nach ein paar Monaten schätzte er, dass er wohl über hundert Mal auf diese Art den Verstand verloren hatte. Es gab Tage, an denen es ihm schwerfiel, sich an seinen eigenen Namen zu erinnern. Manchmal machte er sich Sorgen, er könnte vergessen, wo er die Kaffeedose versteckt hatte; dann sah er nach.
    Frankie spazierte oft mit einer tief in die Hose gesteckten .22er durch die Gegend. »Wir müssen unser Reich verteidigen«, wiegelte er jedes Mal ab, wenn Todd sich über die Waffe beklagte.
    Von der Anglerhütte überblickte man die Schott’s Bridge, den einfachsten Weg in die Senke und wieder heraus. Todd saß gern auf der Veranda, sah zu, wie die Autos den Pass Creek überquerten, und lauschte den Rädern, die über die schweren Holzplanken rumpelten. Noch immer hing er Träumen nach, einfach abzuhauen. An heißen Tagen gingen sie ab und an zur Brücke hinunter, um an den flachen Stellen zu baden und am Straßenrand nach Pfandflaschen zu suchen. Jedes Mal versuchte Frankie, Todd dazu zu bringen, von der Brücke zu springen. Er nannte ihn ein feiges Huhn und einen Angsthasen, dann kletterte er selbst auf die oberste Kante und sprang runter. Vor ein paar

Weitere Kostenlose Bücher