Knockemstiff (German Edition)
Todd und entschuldigte sich immer wieder beim Geist seiner Großmutter. Sie hatte ein ganzes Leben gebraucht, um so viel Geld zu sparen. Bei Tagesanbruch suchte er alles ab und fand zwei Blättchen Acid unter einer Radkappe, die sie als Aschenbecher benutzt hatten. Dann sammelte er noch genug Kippen auf, um zwei dürre Joints zu drehen. Draußen im Gestrüpp entdeckte er fünf Flaschen Bier in einer Papiertüte. Fran-kie hatte fast alles andere mitgenommen, sogar die Taschenlampe und Todds kleines Transistorradio.
Todd wusste nicht, was er tun sollte, also wartete er. Er teilte sich seine Zigaretten ein und versuchte zu schlafen. Ab und zu blutete ihm das Ohr. Von einem der Besuche Frankies bei der alten Frau war im Schrank noch ein Glas Brombeeren übrig geblieben. Todd bekam davon Durchfall, er aß sie trotzdem auf. Er fuhr mit einem flachen Stein über die Wand, bis die Strichfamilie verschwunden war. Auf seiner Stirn war noch immer der Stiefelabdruck zu sehen. Einmal wachte er auf und dachte, seine Großmutter würde ihm auf dem Kohleofen Pancakes machen. Am Ende des dritten Tages wusste er, dass Frankie nicht zurückkehren würde.
In jener Nacht schluckte Todd die beiden Blättchen Acid und trank das letzte Bier. Dann zog er die Schuhe an und ging durch das Unkraut am Bachufer entlang zur Schott’s Bridge. Es war drei Uhr früh, kein Auto tauchte auf. Alles war feucht vom Tau. Todd ging ein paar Minuten die Holzbohlen auf und ab, dann kletterte er an einem Ende der Brücke auf das äußere Geländer. Es war glatt. Mit ausgestreckten Armen schob er sich langsam zur Mitte vor. Dann blieb er stehen, sah lange hinunter ins schwarze Wasser und spürte, wie das Acid langsam durch sein Hirn zog. Er zündete sich die letzte Zigarette an und rauchte sie fast bis auf den Filter herunter. Dann ließ er die Kippe fallen, und die orangene Glut flog durch die feuchte Luft. Todd stand voller Trauer da und sah, wie das Wasser sie verschluckte.
FETTSACK
Alle in Knockemstiff dachten, dass Duane Myers in jener Nacht zum ersten Mal richtig mit einer Frau ausging, aber es war nur Blendwerk. Er selbst hatte das Gerücht in der ganzen Senke gestreut und sich im Torch-Drive-in-Kino um die Einzelheiten gekümmert: Er schmierte Ketchup über den Rücksitz des Chryslers seines Vaters, goss etwas Wein auf einen der zerlumpten Schlüpfer seiner Schwester und brannte sich sogar mit einem Löffel, den er mit seinem Zippo heiß gemacht hatte, zwei Knutschflecken auf den Hals. Dann verbrachte er den Rest des Abends damit, wie eine Unke hinter dem Lenkrad zu kauern und darauf zu warten, nach Hause fahren zu können. Er trank ein Sechserpack lauwarmes Bier und schaute sich
Frauen hinter Zuchthausmauern
und
Female Moonshiners
an. Der Geruch von verbrannter Haut, der im Wagen schwebte, glich dem von gebuttertem Popcorn.
Seit Duane im Frühling sechzehn geworden war, hatte sein alter Herr Clarence ihn ständig damit genervt, er solle sich doch eine Freundin suchen. »Was zum Teufel ist denn los mit dir?« fragte er immer. »Verdammt, Duane, als ich in deinem Alter war, hab ich im ganzen beschissenen County die Schnecken rumgekriegt.« Sie pflanzten gerade Tomaten in dem lang gezogenen, steinigen Garten, in dem Clarence den Jungen während des Sommers schuften ließ. Der Alte trank bei jedem dritten Tomatenschössling, den Duane setzte, eine Dose leer. Bald lagen die Dosen wie riesige Samenkapseln entlang der krummen Reihen. »Ich verarsch dich nicht, Junge«, prahlte Clarence weiter, hockte sich auf seine dünnen Waden und wischte sich den Schweiß von der dreckverschmierten Stirn. »Einmal hab ich sogar ein Wespennest gevögelt, so verdammt scharf war ich.« Duane rutschte stumm auf den Knien weiter und schob mit den Händen klumpigen Lehm um jede einzelne verdorrte Pflanze. Clarence erzählte diese Geschichten schon seit Ewigkeiten: Mal war es ein Bienenstock, mal eine verschwitzte Socke, mal ein Batzen Schweinshirn. Es war immer ein großer Spaß gewesen, aber das hatte sich geändert.
Gegen Mitte des Sommers war Clarence kurz davor, durchzudrehen. Manchmal lief er stundenlang über die Weide hinterm Haus, stapfte durch Kuhscheiße und fragte sich ernsthaft, ob sein einziger Sohn womöglich Gottes Strafe war für ein derart von Wollust geprägtes Leben. Nachts hatte er Albträume, Duane könnte sich in eine Schwuchtel verwandeln wie dieser Dixon-Junge drüben am Plug Run, den sie dabei erwischt hatten, wie er in der Nachtwäsche seiner
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