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Knockemstiff (German Edition)

Knockemstiff (German Edition)

Titel: Knockemstiff (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
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Jahren war ein Junge aus der Stadt kopfüber hineingesprungen und hatte sich das Genick gebrochen. Immer wenn Frankie im Wasser landete, glaubte Todd, das Knacken von Knochen zu hören. Einmal, als Frankie den ganzen Vormittag über Bier und Whiskey getrunken hatte, drückte er Todd die Pistole an den Hinterkopf und befahl ihm, zu springen. »Na los, schieß doch, du Arschloch«, sagte Todd. »Tot bin ich so oder so.« Er konnte kaum schwimmen, geschweige denn aus zwölf Metern Höhe ins Wasser springen. Den Kopf weggepustet zu bekommen jagte ihm weniger Schrecken ein als das tiefe Wasserloch östlich der Brücke. Nach ein, zwei Minuten ließ Frankie langsam den Hahn los und steckte die Waffe wieder in die Hose. Dann ging er weg und sagte über die Schulter: »Du kannst nicht dein ganzes Leben ein Schwächling bleiben, Todd. Eines Tages wirst du einfach mal ›Scheiß drauf‹ sagen müssen.«
    Einmal im Monat verschwand Frankie und verbrachte das Wochenende bei einer alten Frau in Massieville. Nachdem sein Gesicht so verunstaltet worden war, hatte er sein ganzes Selbstvertrauen im Umgang mit schönen Frauen verloren, aber ab und zu musste er mal abzappeln, wie er zu Todd sagte. Der Alten war es völlig egal, wie er aussah, Hauptsache, er bekam seinen kleinen Mann hoch. Sonntags kam er dann am Abend zur Anglerhütte zurück, voller Bissspuren und bepackt mit Nahrungsmitteln, die sie ihm mitgegeben hatte: verstaubte Einmachgläser mit Obst, Leinenbeutel mit blutigem Schildkrötenfleisch, manchmal ein durchgeweichter Pie. Todd beschnüffelte das Essen immer kurz und warf danach das meiste davon für die Waschbären und Opossums raus. »Ich glaub, die versucht, dich zu vergiften«, sagte er eines Tages, als er das Papier von schimmlig grünen Hamburgern abzog.
    »Ich muss was anderes finden«, klagte Frankie. »Himmel, sie ist fürchterlich. Da könnte ich meinen Schwanz auch gleich in das Glas Pfirsiche da stecken.«
    »So wie ich das sehe, ist etwas immer noch besser als nichts.«
    »Scheiße, woher willst du denn das wissen?«
    »Keine Sorge, ich weiß es.« Dann wühlte Todd wieder in dem Beutel. Er fand einen Batzen Makkaroni mit Käse in einer Alufolie und legte ihn beiseite.
    »Also, dann will ich dich mal was fragen«, sagte Frankie, sah zu Boden und knibbelte an einem Stück braunem Schorf an seinem Arm herum. »Wann hast du zum ersten Mal gemerkt, dass du andersrum bist?«
    Todd blickte auf, die Frage überraschte und alarmierte ihn. »Was zum Teufel soll das heißen, andersrum?«
    »Schwul, meine ich.«
    »Wozu willst du das wissen?« lenkte Todd ab.
    Frankie lachte kurz auf. »Ach je, komm bloß nicht auf falsche Gedanken. Ich bin nur neugierig.«
    Todd dachte einen Augenblick nach. Er hatte sich die Geschichte schon tausend Mal im Kopf zurechtgelegt, aber bisher hatte ihn noch nie jemand so etwas Persönliches gefragt. »Weißt du noch, dieser VISTA-Mann vor ein paar Jahren?« sagte er mit plötzlich zittriger Stimme.
    1968, als Todd vierzehn war, hatte die Regierung einen Mann namens Gordon Biddle nach Knockemstiff geschickt, um den Hinterwäldlern dabei zu helfen, einen Sportplatz zu errichten. Beim ersten Treffen in der Shady Glen Church of Christ in Christian Union hatte er vor allen Leuten erklärt: »Besser, man arbeitet mit den Armen in Amerika, als gegen die Armen in Vietnam zu kämpfen.« Selbst die alten Männer, die im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatten, grinsten und nickten bei dem Satz, und bevor der Abend noch herum war, hatten sie den Neuankömmling akzeptiert. Todd war es so vorgekommen, als ob alles an dem VISTA-Mann – Haare, Haut, selbst sein Glasauge – in dem sanften Licht geleuchtet hätte, das durch die billigen Bleiglasfenster der Kirche fiel. Er hatte noch nie einen so schönen und freundlichen Mann gesehen. Nach zwei Wochen fand er sich nackt und high auf dem Rücksitz von Gordons zerschundenem Ford Kombi wieder und dann für den Rest des Sommers fast jeden Abend.
    »Mann, das ist schon ewig her«, sagte er, als er mit der Geschichte fertig war.
    »Willst du mich verarschen? Die Sache ist also doch wahr?« fragte Frankie und zündete sich eine Zigarette an. »Dieser Mistkerl, der so komisch geredet hat?«
    »Er war aus New Jersey.«
    »Das ist echt krank, Mann.«
    »Er hat mich zu nichts gezwungen, das ich nicht auch wollte«, entgegnete Todd, aber er hatte Frankie nicht die ganze Wahrheit erzählt. Gordon hatte ihm versprochen, ihn nach Fertigstellung des Baseballplatzes mit

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