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Knockemstiff (German Edition)

Knockemstiff (German Edition)

Titel: Knockemstiff (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
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…«
    »Herrgott, Theodore«, unterbrach er mich, »hier geht es um eine ernste Angelegenheit. Das sind verdammte Riesen, die planen, die Welt zu erobern, keine bescheuerten Filmmonster.«
    »Und was sind dann wir?« fragte ich hoffnungsvoll. »Marines?«
    »Marines?« schnaubte er. »Was soll denn so ein Hosenscheißer gegen eine ganze Horde Riesen ausrichten?« Ich sah, wie er in die Sonne schaute und blinzelte. »Ich weiß«, sagte er schließlich. »Wir sind Götter. Nur ein Gott kann etwas so Großes aufhalten.«
    Ich sah auf Williams Füße hinab. Krumme Zehen bohrten sich durch die Spitzen seiner vergammelten Tennisschuhe. Die Narben auf seinen Beinen glänzten im Morgenlicht wie Schlangenhaut. Götter? Von allen, mit denen ich je gespielt hatte, kam er einem Toten am nächsten. »Egal«, sagte ich und gab nach. »Götter. Riesen. Riesenameisen.«
    Er lächelte und hustete dann wieder. »Ich hab neulich mal Hiroshima im Fernsehen gesehen«, sagte er und hob die Flasche höher, damit es mehr spritzte. »Das sah genauso aus.«
    »Blödsinn«, widersprach ich. »Das war eine Atombombe.«
    »Und? Was willst du damit sagen?« fragte er und starrte mich durch seine dicken, dreckigen Brillengläser an.
    »Na, das da – das ist eher wie Napalm«, sagte ich. »Wie das Zeugs drüben in Vietnam.« Die Flasche schäumte jetzt auf wie ein Vulkan. Ringsherum verbrannten die Ameisen. Ich stellte mir ihre jammervollen Schreie vor. Sie stanken wie verbranntes Popcorn.
    »Verdammt!« brüllte William. »Fängst du schon wieder davon an?« Er holte mit dem Stock aus, als wollte er die Flasche nach mir schleudern. Er zitterte am ganzen Leib. Ein Batzen brennendes Plastik tropfte ihm auf die Stirn, aber er zuckte nicht mal zusammen.
    Beim letzten Mal, als er so aufgeregt gewesen war, hatte er sich mit einer Sense selbst ins Bein geschnitten, nur weil ich mich geweigert hatte, zuzugeben, dass meine blaue Murmel in Wahrheit seine grüne Murmel war. »Na gut.« Ich gab schon wieder nach. »Dann sagen wir wenigstens, der Qualm ist …«
    »Niederschlag!« brüllte er. »Radioaktiver Niederschlag. Ja, das hat die Ameisen überhaupt erst zu Riesen gemacht. Siehst du, Theodore, bist doch nicht so dumm.«
    In diesem Augenblick kam Lucy aus dem Haus gestürmt. Sie trug Williams falschen Armeehelm und ihr Cowgirl-Outfit, das mit dem kurzen Paillettenrock. »Er hat Ma in den Keller getrieben!« keuchte sie. »Ich glaub, diesmal hat er sie umgebracht!«
    William schaute grimmig zum Haus hinüber. »Gut«, meinte er. »Vielleicht bringt er uns alle um. Dann haben wir es hinter uns.« Am letzten Weihnachtsfest, als sie gerade eingezogen waren, hatte Mr. Jenkins seine Frau derart vermöbelt, dass ihr linkes Auge noch immer schlaff herabhing wie eine verdorrte blaue Blume. Ich hatte sie ein paarmal gesehen, wie sie in ein Laken gewickelt aus dem Küchenfenster blickte. Sie erinnerte mich an die Alte im Schaukelstuhl aus
Psycho
, dem Lieblingsfilm meiner Mutter.
    »He, du Arschloch«, sagte Lucy zu mir, »du bist doch wohl nicht über die Linie getreten, oder?« Niemand durfte ihr Grundstück betreten. Vor allem ich nicht. Mom hatte Mr. Jenkins schon zigmal den Sheriff auf den Hals gejagt, aber die fetten Polizisten wollten nichts damit zu tun haben. Sie stiegen schon gar nicht mehr aus ihren Streifenwagen, sondern schalteten nur das Blaulicht ein, wenn sie durch die Senke jagten.
    William und ich sahen nach unten, um sicherzugehen, dass meine Füße auf legalem Boden standen. Lucy war die reinste Geheimpolizei. Ihr Mundwerk stand nie still. Als sie ihren Bruder das letzte Mal verpfiffen hatte, konnte man seine Schreie bis zum Foggy Moor hören. »Spionier jemand anderem nach«, sagte er.
    »Wollte nur sichergehen«, sagte sie und schleuderte den Spielzeughelm zu Boden. Dann ging sie davon und schlug ein Rad, bei dem ihr der Rock über den Kopf fiel. Sie war zwölf, für einen Neunjährigen war das praktisch erwachsen. Ich konnte ihren Spalt sehen, der sich fest gegen ihre weiße Unterwäsche drückte. Er sah aus wie der Astansatz an einem Baum. Ich wollte es mit ihr machen, obwohl ich nicht genau wusste, worum es dabei eigentlich ging. Ich wusste nur, dass meine Mom es oft tat. Jedes Kind im Schulbus sagte mir das.
    »Stoppelwichser«, rief Lucy, als sie wieder landete.
    »Witzig«, erwiderte ich und spürte, wie ich rot wurde.
    »Käsepimmel«, rief sie und kickte den Helm über den Hof. Das Mädchen kannte Schimpfwörter, die den Freunden

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