Knockemstiff (German Edition)
Philosoph, der seit Jahrhunderten über diese Frage nachgedacht hatte. Dann beugte er sich vor, sah Duane an und ließ seine buschigen Augenbrauen auf und ab tanzen, bis Porter rückwärts aus der Einfahrt setzte.
Aber Duane konnte es nicht durchziehen. Sie hielten vor Geraldines Haus und drückten auf die Hupe, bis sie schließlich herauskam. Wie sie da mit gesenktem Kopf und in schäbiger Kleidung durchs Unkraut stapfte, erinnerte sie Duane an einen furchtsamen Geist, der ein paar Zentimeter über dem Boden schwebte und nach einem leeren Grab suchte, um sich darin zu verstecken. Zu allem Übel musste Duane den ganzen Weg bis zur Train Lane neben ihr sitzen, während Wimpy sich mit Porter darüber stritt, wer als Erster randurfte. Geraldine sagte kein Wort, sie saß nur an die Tür gekauert da, schaute hinaus und trank das Bier, das Wimpy ihr gegeben hatte. Sie roch nach Urin, und in ihren struppigen braunen Haaren steckten graue Wollfussel.
»Du bist einfach zu wählerisch«, sagte Porter später, als sie sie wieder absetzten. »Scheiße, dein Alter hätte sie durchgebumst.« Er schlug Wimpy gegen den Arm, und beide wieherten.
»Ich bin nicht er«, entgegnete Duane und starrte den großen feuchten Fleck mitten auf dem Rücksitz an.
Wimpy schüttelte den Kopf. »Tja, Duane, was willst du machen?« fragte er und zündete sich einen Joint an. »Willst du so enden wie der verrückte Fettsack mit seiner verdammten Cher?«
»Nancy«, korrigierte ihn Duane. Fast jeder machte sich über Fettsack McComis lustig. Er war nicht nur das fetteste Kind in Knockemstiff, er war auch noch bis über beide Ohren in Nancy Sinatra verknallt, die Sängerin. Er wusste alles über sie, bis hin zu ihrer Schuhgröße und welche Sorte Eis sie am liebsten mochte. Fettsack McComis hatte die Intelligenz zwar sicher nicht mit Löffeln gefressen, aber Duane fand, er hatte immer noch mehr auf der Pfanne als Wimpy.
»Was?« fragte Wimpy.
»Nicht Cher, Nancy!« brüllte Duane. Dann drehte er sich um und sah Geraldine nach, die über den schlammigen Graben neben der Schotterstraße schwebte und im dunklen Haus verschwand. Niemand, fiel ihm auf, hatte auch nur einen Gedanken daran verschwendet, sich von ihr zu verabschieden oder »danke« zu sagen oder auch nur »bis dann, Schlampe«.
Als Duane das Drive-in-Kino verließ und nach Knockemstiff zurückfuhr, war sein Bierrausch verflogen und sein Mumm auch. Er überquerte den letzten steilen Hügel vor der Senke, bremste und bog dann in Porters ausgefahrene Zufahrt ein. Es war ein Uhr früh, aber in der Garage brannte noch Licht. Er fürchtete sich davor, seinem alten Herrn nüchtern gegenüberzutreten. Duane konnte sich gut vorstellen, wie Clarence auf der Couch saß und mit einer Flasche zwischen den Beinen auf ihn wartete, ganz begierig darauf, Beweise zu sehen und dumme Fragen zu stellen. Selbst an einem guten Tag waren Gespräche mit seinem Vater so, als wäre man mit einem ausgehungerten Kannibalen in einem Fahrstuhl eingesperrt.
Duane hielt neben Porters abgewracktem Ford, schaltete den Motor aus und stopfte sich den feuchten Schlüpfer seiner Schwester in die Tasche. Er ging um die Garage herum, schob den schweren braunen Filz beiseite, der als Tür diente, und sah hinein. Fettsack McComis lag auf zwei alten Strohballen ausgestreckt, die dreckige Latzhose bis zu den schorfigen Knien heruntergezogen. Eine Werkstattlampe baumelte an einem ausgefransten Verlängerungskabel über seinem Kopf von der Decke und bestrahlte seinen feisten Bauch wie ein Spotlight im Zirkus. Porter und Wimpy standen ein paar Meter entfernt, reichten sich eine Bong hin und her und warfen zwischendurch Dartpfeile auf den riesigen Fettbauch. Die Pfeile waren schon so oft angespitzt worden, dass sie nur noch zwei, drei Zentimeter lang waren. Jedes Mal, wenn einer der Pfeile traf, ließen sie Fettsack an der Wasserpfeife ziehen. Das war der einzige Sport, in dem sie es zu einer gewissen Könnerschaft gebracht hatten.
Als Duane durch die Tür trat, grinste Fettsack und rief mit seiner Entenstimme: »He, Duane, hast du meine Freundin schon gesehen?« Dann hielt er seine Nancy-Sinatra-Plattenhülle hoch, die er Duane schon tausend Mal gezeigt hatte. Es handelte sich um
Boots
, die LP, die aus der verzogenen reichen Göre eine veritable Sexgöttin gemacht hatte. Darauf lag sie da wie eine Katze, in ihrem engen Go-Go-Outfit, mit rotem Lederrock und kniehohen Stiefeln. Fettsack trug die Plattenhülle vorn in seiner Latzhose
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