Knockemstiff (German Edition)
auf die Strohballen sinken und starrte stumm in die Dunkelheit. »Duane«, sagte er schließlich mit tiefer, ernster Stimme, »du solltest nicht so über deine Freundin reden.«
Duane erwiderte nichts darauf. Er hatte sich auf einen Holzstuhl gefläzt, rauchte eine von Porters Camels und ging noch mal seine Geschichte durch, bevor er nach Hause fahren und sich dem Alten stellen wollte. Plötzlich überkamen ihn Abscheu und tiefe Scham. Er wusste, er hatte Maple schlecht behandelt, hatte Sachen über sie gesagt, die er über keinen Hund sagen würde, dabei war sie noch nicht mal real. Wieder flüsterte er ihren Namen, aber es fühlte sich nicht mehr so an wie sonst. Sie war fort. Er zog an der Zigarette und dachte an Geraldine und wie sie über den Hof davongeschwebt war, nachdem Porter und Wimpy mit ihr fertig gewesen waren.
Sie saßen noch ein paar Minuten schweigend da, dann sagte Fettsack wieder: »Duane?«
»Was denn?«
»Wollen wir tauschen?«
»Tauschen? Was denn tauschen?«
»Meine Nancy gegen deine Maple.«
Duane sah Fettsack überrascht an. Der aufgedunsene Kerl drückte sich das Plattencover an sein Herz, und der riesige Bauch bewegte sich langsam auf und ab wie ein ausgeleierter Blasebalg. Er hatte seine Nancy nun schon seit Jahren; sie machten alles gemeinsam. Sie hatte ihn vor tausend schlechten Pfeilwürfen bewahrt. »Das willst du doch nicht wirklich, Fettie«, sagte Duane.
»Warum denn nicht?« entgegnete Fettsack. Er starrte noch immer hinauf zu den Dachsparren.
Duane dachte eine Weile nach. »Weil … weil sie dein Mädchen ist, schon immer«, sagte er. »Zum Henker, die ist doch besser als irgend so eine Maple.«
»Ach, Duane«, sagte Fettsack und gähnte, »Nancy ist noch nicht mal echt. Sie ist doch nur so ein altes Foto, das mir meine Oma gegeben hat.« Dann schloss er die Augen.
Duane wartete eine Weile, dann stand er auf und zog den feuchten Schlüpfer aus seiner Jeansjacke. Er schlich vorsichtig über den harten Lehmboden, bis er über seinem dicken Freund stand. Fettsack schnarchte, die speckigen Arme waren vor der Brust überkreuzt. Er roch nach Chips und Schweiß. Duane sah nach, ob Porter und Wimpy noch schliefen, dann entdeckte er die Dartpfeile, die auf der Werkbank aufgereiht lagen. Schon als kleines Kind hatte Fettsack behauptet, dass er nichts spüren würde und die Pfeile ihm nicht wehtaten. Trotzdem warf Duane seine Pfeile immer heimlich so, dass sie Fettsack nicht verletzten. »Du wirfst wie eine Zicke«, verhöhnte ihn Wimpy gern.
Duane stopfte den Schlüpfer in die Seitentasche der Latzhose, dann nahm er alle Pfeile und trat hinaus in die Nacht. Er konnte das weit entfernte Grummeln eines B&O-Frachtzuges hören, der die Kurve um den Summit nahm und westwärts nach Cincinnati fuhr. Duane ging zum Ende von Porters Einfahrt und sah zum Haus seiner Eltern hinunter, das am Fuß des Hügels vor sich hin gammelte wie eine verbotene Müllkippe und umringt war vom rostigen Schrott des Alten, von überwucherten Fliedersträuchern und grauem Oktobernebel. Er konnte nicht fassen, dass er dort lebte.
Als der Zuglärm verklungen war, zog plötzlich Wind auf und schüttelte das verdorrte Unkraut auf der Weide jenseits der Straße. Die kühle Luft kitzelte Duanes versengten Hals. Er sah, wie das Licht auf der Veranda seiner Eltern aufflammte und wieder ausging. Dann sah er nach oben, suchte den hellsten Stern, der am Himmel über Knockemstiff pulsierte, holte aus und schleuderte die Pfeile nach ihm. Er warf, so fest er nur konnte, bis sie alle in der Dunkelheit verschwunden waren.
FISCHSTÄBCHEN
Am Tag vor der Beerdigung seines Cousins war Del gegen Mitternacht im Waschsalon und wusch seine schwarze Jeans. Das war die einzige dem Anlass angemessene Hose, die er hatte. Selbst Randy, der Tote, dem das jetzt alles scheißegal war, würde besser aussehen als Del. Auf dem Rücken des einzigen ordentlichen Hemds in seinem Müllbeutel war der Schriftzug
Troy’s Bait Shop
eingestickt.
Doch das war nicht alles. Del war mit einer Frau zusammen, die er nicht loswerden konnte, ganz gleich, was er tat oder sagte. Jedes Mal, wenn er sie bei ihrer Wohngemeinschaft absetzte, war sie vor ihm wieder in seinem Zimmer; ihr Tablettenspender war dann frisch aufgefüllt, und sie hatte einen Stapel sauberer Unterwäsche dabei. Wie um das Ganze noch schlimmer zu machen, nervte sie ihn zu Tode mit diesen Fischstäbchen, die sie ständig aus einer Plastikhandtasche zog. Sie waren kalt, fettig und mit
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