Knockemstiff (German Edition)
kratzten Farbe vom Türrahmen.
In der Woche zog ich die Zügel an, drei Trainingseinheiten am Tag. Abends war Sammy zu fertig, um sich auch nur die Schuhe aufzubinden, und schlief in der Ecke ein wie ein Sack Mist. Aber das war die einzige Chance, zu gewinnen. Er kam nach seiner flachärschigen Mutter, ein kleines Vögelchen, das heimlich rauchte und Kaffee trank, bis der Krebs sie sich holte. Ich hatte mir schon tausend Mal in den Hintern getreten, dass ich nicht eine fette Amazone mit schweren Knochen geschwängert hatte. Trotzdem, mit all dem Deca, das ich in ihn reinpumpte, schaffte er es in der Woche, fünf Pfund zuzunehmen. Alle zwei Stunden maß ich Kreatin, Fettburner und Flüssigproteine ab. Zum Frühstück gab es einen Löffel Haferflocken, am Abend ein Stückchen Backfisch. Nachts gab ich ihm Holzbügel, auf denen er herumkauen konnte. »Scheiß drauf, Junge«, sagte ich, wenn er mal wieder Krämpfe bekam, »wir bestehen doch eh hauptsächlich aus Staub.« Und wenn er kotzen musste, brüllte ich: »South Ohio!«
Am folgenden Samstag erschien er nicht zum Zwanzig-Uhr-Training. Ich hatte den Nachmittag mit dem Säubern des Bades verbracht, da hatte er sich davongeschlichen. Ich ging an den Kühlschrank, um eine Flasche Nitro zu holen, und stellte fest, dass die Deca-Flasche fast leer war – eine Sechs-Wochen-Ration! Die kleine Schwuchtel wollte den leichten Weg gehen, genau wie seine Mutter. Ich machte weiter, trainierte Rücken und Schultern, dann duschte ich und zog mich an. Ich hatte so eine Ahnung, wohin er gegangen war, und ich wollte den kleinen Mistkerl dabei ertappen. Mein Plan war, ihm die ganze Hauptstraße entlang in den Arsch zu treten und ihn vor allen Leuten zu blamieren. Keiner kam Luther Colburn krumm. Ich hatte einen Armumfang von 53,5 Zentimetern und einen Brustumfang von 137.
Als ich es bis zur Hauptstraße geschafft hatte, stand dort schon der gesamte Verkehr; Scheiße, die Wagen stauten sich zurück bis zur Route 23. Es war kalt geworden, und auf der Anzeigetafel vor der Bank stand -7°C. Ich fuhr durch die Seitengassen, bis ich einen Parkplatz hinter Millers Laden für Autoteile fand. Ich kam um die Ecke und sah ihn sofort, meinen dummen Sohn. Er stand in seiner Poserhose auf der anderen Seite unter dem McDonald’s-Schild, auf seinem Kopf lag ein Schlüpfer.
Alles war in heller Aufregung, noch schlimmer als in der Woche des Farmers’ Festivals. Bobby Lowe brachte sich in Pose, und Sammy ahmte ihn nach. Alle hupten, ließen Flaschen kreisen und brüllten dummen Scheiß, so als hätten sie gerade in ihrer Dusche Elvis beim Wichsen ertappt. Dann sah ich es. Es zog sich über sein Gesicht und strahlte wie in der Zahnpastawerbung. Ich hatte nicht gewusst, dass Sammy das konnte. Es war, als sähe ich seine Mutter wieder. Doch dann, als ich gerade über die Straße gehen wollte, den Autos auswich und die beschissenen Fahrer anbrüllte, drehte er sich zu einer Frontalpose um und stürzte auf den Gehweg.
Ich weiß noch, ich trat ihn, befahl ihm, aufzustehen, dann drosch mir irgendein Kerl von hinten etwas über den Kopf. Als ich zu mir kam, schoben sie Sammy und mich gerade in den Krankenwagen. Sammy musste wiederbelebt werden. Wir flogen mit jaulender Sirene und blinkenden Lichtern den Highway entlang, und ich sah, wie der Sanitäter sein Bestes gab. Sammy grinste noch immer, als der Mann aufgab. »Sie wollen mich verarschen«, sagte ich, ein Stück blutiges Glas fiel mir vom Kopf und landete auf der Gummimatte. »Tun Sie was, verdammt!«
Der Sanitäter setzte erneut die Kontaktplatten des Defibrillators auf. Kleine weiße Funken flogen von Sammys gefrorener Brust. Nichts.
»Himmel, der Junge ist der kommende Mister South Ohio«, rief ich und packte den Mann an der Kehle. »Er hat ein Lächeln, das die ganze Welt besiegen kann! Er kann nicht tot sein!« Ich drückte ihm die Luft ab, sah, wie die Äderchen in seinen Augen platzten, dann ließ ich ihn plötzlich los. »Tut mir leid«, sagte ich, »aber das ist mein Junge.«
»Wirklich, Mann, ich habe alles nur Erdenkliche getan.«
»Er ist erst achtzehn«, sagte ich, kniete neben der Trage und fuhr mit der Hand über die Leiche meines Sohnes.
In der Notaufnahme trat ein Arzt in den mit Vorhängen abgetrennten Raum, in dem sie meinen Hinterkopf zusammenflickten. Er legte mir eine Hand auf die Schulter. »Mr. Colburn, Ihr Sohn ist einem Herzinfarkt erlegen. Er war unterkühlt, und sein Cholesterin lag bei …« Er sah auf sein
Weitere Kostenlose Bücher