Knockemstiff (German Edition)
und mit silberner Beehive-Frisur, schnappte nach Luft, der Mund sprang ihr auf wie eine Kofferraumhaube, und ihre dritten Zähne wollten schon herausspringen und die Straße entlangklappern wie in einem altmodischen Cartoon. Die andere war untersetzt und trug einen glänzenden roten Jogginganzug, in dem sie aussah wie eine fette Tomate. Ihr dick aufgetragenes Make-up schmolz in der Hitze, und Del schaute fasziniert zu, wie ein Teil ihres fettigen Gesichts plötzlich abbrach und ihr den Hals hinunterglitt, als sie anfing, ihrer keuchenden Freundin auf den Rücken zu klopfen. Er wandte sich ab, schlurfte zur Veranda, warmer Urin tröpfelte ihm auf die Füße. Und schon war Del zu Hause.
Geraldine versteckte sich mit ihrem Baby Veena an der Hüfte hinter der Haustür und linste durch die dünne, nikotinfleckige Gardine nach draußen zu ihrem Mann. Dort stand sie fast immer, rauchte Menthol-Zigaretten und suchte die Straße nach möglichen Angreifern ab. Vor sechs Monaten, nachdem jemand mit einer Papiertüte über dem Kopf versucht hatte, sie vor dem Tobacco Friendly zu erwürgen, hatte sie ihr alter Arzt aus der Henry-J.-Hamilton-Entzugsklinik wieder auf alle Medikamente gesetzt. Sie konnte die Papiertüte zwar genauestens beschreiben, ja sie sogar auf dem Revier zeichnen, aber die Bullen fanden nicht einen einzigen Verdächtigen. Seitdem streckte sie die Hand nicht mal mehr bis zum Briefkasten raus.
»Ich hätte im Henry J. bleiben sollen!« hatte Geraldine direkt nach dem Überfall auf der Rückfahrt vom Polizeirevier geschrien. Sie hatte auf der Rückbank gesessen und verzweifelt versucht, sich mit den Händen in den Fußraum zu graben.
»He, Geri, du hast doch darum gebettelt, dass du aus der verdammten Klapse rausdarfst!« hatte Del zurückgebrüllt. »Du wolltest doch heiraten!« Darauf wies er sie immer wieder hin.
Er war Geraldine begegnet, als sie in einer betreuten Wohngemeinschaft in der Fourth Street lebte. Damals trieb sie es in aller Öffentlichkeit – und sie hatte immer kalte Fischstäbchen in ihrer Handtasche bei sich wie andere Leute Kaugummi und verteilte sie an Wildfremde wie kostbare Geschenke. Del hatte sie geschwängert, und in einem mutigen, überschwänglichen Augenblick hatte Geraldine alle Tabletten im Klo runtergespült. Am folgenden Tag hatte sie für Del ein Bewerbungsformular für die Plastikfabrik ausgefüllt und einen alten Ehering herbeigezaubert. Nun steckte er fest.
Del drückte die Tür auf, und Geraldine drehte sich zur Seite, um ihm Platz zu machen. Sie hatte nach der Geburt nicht wieder abgenommen. »Was soll der Scheiß?« sagte sie. »Die ganze Nachbarschaft beobachtet uns, verdammt noch mal.« Dunkle Ringe umrandeten ihre wolkigen Augen wie kleine Burggräben. Manchmal beneidete Del sie; er fand keinen Arzt im Umkreis von achtzig Meilen, der ihm noch irgendetwas verschrieb.
»Muss wohl schlafgewandelt sein«, murmelte er. Dann stolperte er weiter und ließ sich auf die kratzige, schottengemusterte Couch plumpsen. Aus der Wohnung über ihnen dröhnten die Guns N’ Roses. Die Speed-Krankenschwestern vom Veteranenkrankenhaus fingen heute schon früh an. Erst glühten sie zu Hause vor, dann zogen sie los, um in den Bars der Stadt Männer aufzureißen. Jedes Mal, wenn sie Erfolg hatten, starrte Del die Zimmerdecke an, lauschte den quietschenden Betten und rechnete damit, dass ihm die ganze Orgie jeden Augenblick auf den Kopf fiel. In solchen Nächten hielt er seinen Schwanz wie ein Kreuz in der Hand und betete, dass ihnen ihre Herzen in Stücke sprangen, damit er endlich schlafen konnte.
Er stand gerade auf einer grünen Weide und warf einen perfekten Ball, als Geraldine ihn wach rüttelte. »Schwing deinen Hintern hoch«, befahl sie. »Du bist dran mit Babysitten.«
Geraldine war noch immer stinkig, weil Del sich am Morgen davongeschlichen hatte, als sie gerade unter der Dusche stand. Es war sein freier Tag, und eigentlich hatten sie versuchen wollen, einen Ausflug in den Zoo von Columbus zu machen, doch dann war er im letzten Augenblick abgehauen. Er konnte die Vorstellung nicht ertragen, die ganze Fahrt auf der Route 23 Geraldines Panikattacken aushalten zu müssen. Ihr Arzt hatte den Ausflug schon vor Wochen vorgeschlagen, aber Geraldine hatte es immer weiter vor sich hergeschoben, in der Hoffnung, die Medikamente würden die Außenwelt endlich in einen freundlicheren Ort verwandeln.
Stattdessen war Del am Vormittag in dem schrottigen Cavalier raus nach Knockemstiff
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