Knockemstiff (German Edition)
herein, denen ihre Schuldgefühle in die Gesichter geschrieben waren. Es handelte sich um solche Frauen, die aus blanker Einsamkeit schräges Zeug mit Schokoriegeln machen und mit frittierten Apfelscheiben in den Haaren aufwachen. Sie sahen zu uns herüber und lächelten tapfer, was entweder Blödheit verriet oder Verzweiflung. Jimmy lehnte sich zurück und beäugte sie wie ein Wüstenscheich auf dem Sklavenmarkt.
»Schau an, schau an«, meinte er.
»Niemals«, sagte ich.
»Scheiße, ich hab schon einen Monat keine mehr gehabt. Ich vögele der da das Hirn raus.«
Die Ältere der Frauen kam herübergewatschelt und quetschte sich in die Sitzecke gegenüber der Theke, während die Jüngere noch dastand und eine große Schachtel mit Gebäck vom Vortag und zwei große Tassen Kakao bestellte. Sie steckte in einer Stretchhose; fette Leute, die solche Hosen tragen, sollte man einsperren. Eine ausgeblichene Kappe der Cincinnati Reds saß so schräg auf ihrem Kopf, dass sie mir in meiner düsteren Stimmung wie eine Vorahnung auf eine übel endende Fahrt mit einem Fremden erschien. Ich konnte schon fast vor mir sehen, wie ein Moosbett über ihre geheime letzte Ruhestätte wuchs.
»Soll ich sie ansprechen?« fragte Jimmy, der versuchte, die Aufmerksamkeit der Jüngeren zu wecken, indem er sich mit der Zunge an der Nasenspitze berührte.
»Nein, die sind doch nur wegen dem Süßkram hier«, entgegnete ich. »Außerdem hab ich noch nie mit einer Dicken gebumst, und damit fang ich auch jetzt nicht an.«
»Ist doch egal! Fette wollen auch vögeln. Ich kann nicht fassen, dass so jemand wie du so wählerisch ist.«
»Wie bitte?« sagte ich und stellte die Tasse hin.
»Na, deine Zähne und so. Bist ja nicht gerade Glen Campbell. Du würdest noch was Gutes dabei tun, wenn du die Alte vögelst.«
Ich hatte genug von seinem Gequatsche. Ich packte ihn am Kragen und riss ihn um den Tisch herum. »Du kleiner Scheißer«, sagte ich und zog das dreckige Hemd an seinem dünnen Hals zusammen, »du weißt einfach nicht, wann du die Schnauze halten sollst.«
Ich würgte ihn so lange, bis seine Zunge hervorquoll, und schubste ihn dann zurück auf die Bank. Er hustete und spuckte einen fetten Batzen Rotz auf das abgewetzte Linoleum. »Himmel, Mann, ich hab’s nicht so gemeint«, sagte er und rieb sich die Kehle.
»Kümmer dich einfach um deinen eigenen Scheiß, okay?« sagte ich. Dann drehte ich mich weg, sah zum Fenster hinaus auf die schneebedeckte Straße und hoffte, irgendjemand würde mit genügend Stoff auftauchen, dass ich mich abschießen konnte. Früher war ich mal für recht ansehnlich gehalten worden, ein echter Partycrack. Anständige Frauen nannten mich bei meinem richtigen Namen, und die Stripperinnen im Tater Brown’s ließen sich von mir Feuer geben. Aber das war, bevor dieser hässliche Scheißer Tex Colburn mich am Point Creek dabei erwischt hat, wie ich ein Feld abgraste, dass er selber ernten wollte. Als er mich im Maisfeld eingeholt hatte, war er schon so angepisst, dass er mich von seinen Jungs festhalten ließ und mir mit einem Nagel, den er aus einem verrotteten Zaunpfosten gezogen hatte, einen Zahn nach dem anderen rausschlug. Jedes Mal, wenn ich zusammenzuckte, zerschnitt er mir die Lippen. Jetzt war ich der Gnade eines Wohlfahrtszahnarztes ausgeliefert, der sich im Krankenhaus mit einem Augenarzt abwechselte. In der Fensterspiegelung versuchte ich mein altes Lächeln. Aber die fröhlichen Scheißtage waren vorbei, und ich hockte da und starrte ernst in eine rosige zahnlose Höhle.
»Ach Scheiße«, sagte ich nach einer Weile und drehte mich wieder zu Jimmy um, der sich damit beschäftigte, Zucker aus dem Spender zu streuen und mit einem Kaffeelöffel zwei Linien zu ziehen. »Was denkst du?«
»He, ich kenne diesen beschissenen Phil noch nicht mal«, antwortete er. »Wollen wir die ganze Nacht hier rumsitzen, oder was?«
Auf der Uhr, die die Form eines Doughnuts hatte, war es 4.20 Uhr. Ich gab es nur ungern zu, aber Phil lag wahrscheinlich irgendwo bewusstlos in der Gegend herum und genoss das Erbe seines Vaters. Ich ertappte mich bei dem Wunsch, auch so einen guten Angehörigen zu haben, der starb und mir seine Barbiturate vermachte, aber mir fiel keiner ein, der mich je so geliebt hatte. Mein Onkel hatte seine Medikamente bereits der Postbotin versprochen.
»Verflucht soll er sein«, sagte ich und rechnete schon halb damit, dass Jimmy die weißen, auf dem Tisch ausgelegten Zuckerkristalle
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