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Knockemstiff (German Edition)

Knockemstiff (German Edition)

Titel: Knockemstiff (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
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Jill. Sie fächert sich mit einer zerknitterten Straßenkarte von Ohio, die sie aus dem Handschuhfach gezogen hat, Luft zu.
    »Genau so«, sage ich, »genau so fühlt sich das an.«
    In letzter Zeit stelle ich einen Blödsinn nach dem anderen an. Neulich habe ich auf dem Heimweg sogar versucht, ein junges Mädchen aufzugabeln. Sie ging die Third Street entlang, und ich fuhr erst mal an ihr vorbei und sah sie mir an. Junior Highschool – trotzdem schoss ich um den Block und hielt am Straßenrand. »He, willst du mitfahren?« fragte ich. Kaum waren mir die Wörter aus dem Mund gepurzelt, fingen meine Zähne an zu klappern, dabei stand auf der Anzeigetafel an der Bank 33°C.
    Das Mädchen sah die Straße rauf und runter und kam dann näher an den Wagen. »Wo fahren Sie denn hin?« fragte sie. Ihre Stimme klang wie Silberfolie. Schmetterlinge flatterten auf ihrer pinkfarbenen Bluse. Sie hatte den Körper einer Frau, aber das Gesicht eines kleinen Kindes. All die Kuhhormone haben die jungen Leute völlig versaut.
    Es war noch Tageslicht, und ich war nervös, dass mich jemand sehen könnte. »Ach, ich weiß nicht«, antwortete ich. »Ich fahr nur so rum.« Ich konnte meinen Schweiß riechen und das Mortadella-Sandwich schmecken, das ich zu Mittag gegessen hatte.
    Sie beugte sich durchs Fenster und sah sich im Wagen um. Sie trug eine dieser Halsketten mit aufgereihten Zuckerherzen, die an ihrer Kehle schmolzen. Ich versuchte, den Bauch einzuziehen, aber er stieß noch immer gegen das Lenkrad. »Ich muss in zwei Stunden zu Hause sein«, sagte sie.
    »Klar«, meinte ich. »Kein Problem.« Einen kurzen Augenblick war es so, als würde dieser Werbefilm wahr werden, ich schwöre es bei Gott. Ich stellte mir schon vor, was wir alles anstellen würden. Doch als sie gerade die Tür öffnen und sich neben mich setzen wollte, schrie jemand über die Straße. Ich sah hinüber und entdeckte eine große, stämmige Frau, die mit Lockenwicklern in den Haaren auf der Veranda eines großen roten Ziegelhauses stand. »Oh Scheiße«, sagte das Mädchen. »Das ist meine Volleyballtrainerin.« Sie machte einen Schritt vom Wagen weg, die Frau sprang von der Veranda und kam auf uns zugerannt. Ich überfuhr zwei rote Ampeln und bog dann schnell rechts ab, nur raus aus der Stadt. Das ist der Grund, warum ich heute nicht den Mercury genommen habe. Ich ging davon aus, dass jeder Bulle in Ross County eine Beschreibung von Jills Wagen an der Sonnenblende stecken hat.
    Wir sind am Nachmittag wieder mal zum Sonntagsessen bei der Schwiegermutter gewesen. Es gab rosig rohes Hühnchen, gefüllt mit blauem Gras, das die alte Schachtel wohl aus einem Osterkorb geholt hatte, ich schwöre es, und jetzt schreien meine Magengeschwüre nach langen Würstchen mit Sauce und schlabbrigen, fettigen Fritten. Jill nervt mich andauernd mit meinen verstopften Leitungen, aber ich bin ein großer Kerl – man nennt mich ja nicht umsonst Big Bernie –, und ich brauche mein Junk-food wie ein Baby die Mutterbrust. Außerdem fange ich langsam an zu glauben, dass alles, was ich unternehme, um mein Leben zu verlängern, nur die Qualen vergrößert, es zu durchleben.
    Die Autoschlange kriecht langsam vorwärts, und ich versinke in einem dieser Tagträume, die ich in letzter Zeit habe und in denen ich mich mit Benzin übergieße und Jill das vergoldete Feuerzeug reiche, das mir die Jungs von der Arbeit geschenkt haben, als mich die Firma in den vorzeitigen Ruhestand entließ. »Feuer frei, wenn du so weit bist«, sage ich und salutiere leicht. Mich selbst als mutigen orangenen Feuerball zu sehen ist so gut wie das Einzige, wovon ich noch einen Steifen kriege. Heute ziehe ich aus irgendeinem Grund die Schraube noch etwas an, die Flammen springen in meiner Fantasie auf Jills Haare über, dann auf das Haus und schließlich auch auf Jerry. Wusch! Schneller als Larry Fedder einen Burger braten kann, ist von der kaputten Familie, die in der Belmont Street 124 wohnte, nur noch Asche übrig.
    Ich würde das nie tun, aber ich komme gegen diese Gefühle nicht an, auch nicht mit dem neuen Kombipräparat, das mir Doc Webb neulich verschrieben hat. Ich habe ihm sogar von dem Werbespot erzählt, aber das hat er nur als Rentner-Depression abgetan. »Schauen Sie sich das einfach nicht mehr an«, meinte er nur.
    »Und wie soll das gehen?« fragte ich.
    Doc Webb stand in seiner Praxis am Fenster und sah zu dem Autohändler auf der anderen Straßenseite hinüber. »Das ist wie mit dieser Angst vor

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