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Knockemstiff (German Edition)

Knockemstiff (German Edition)

Titel: Knockemstiff (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
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Zweigen unter meinen Stiefeln. Ich hielt das Zippo an meine Füße und sah die dünnen weißen Knochen kleiner Tiere im Fußraum liegen. Das waren wohl ein paar von Eules Opfern, dachte ich. Ich kurbelte die störrischen Fenster so weit hoch wie möglich und fläzte mich so in den Sitz, dass nur noch meine Augen über das Armaturenbrett ragten.
    Nachdem ich Alberts Flasche ausgetrunken und zwei von seinen Demerol geschluckt hatte, streckte ich mich, so gut ich konnte, auf dem Vordersitz aus. Ich schloss die Augen und versank immer tiefer in jener einsamen Welt, die nur kennt, wer schon einmal in einem herrenlosen Auto geschlafen hat. Unten auf der Straße rumpelte ein Wagen vorbei, und mir fiel die Geschichte von Sandys Onkel Wimpy Miller ein, der in einem Müllcontainer hinter dem Sack N’ Save erfroren war, vergraben unter welkem Salat. Dann dachte ich an Hawaii und versuchte mein Bestes, mir den heißen Sand eines tropischen Strandes vorzustellen, die seidig warmen Nächte im Paradies.
    Der Wind nahm zu und rüttelte den Wagen hin und her. Schneeflocken wehten durch die Spalten herein und wirbelten über mir. Ich griff nach unten und hob den winzigen Schädel eines armen kleinen Vogels auf. Ich hielt ihn lange in der Hand. Es schien, als ruhte alles darin, was ich je in meinem Leben getan hatte, das Gute wie das Schlechte. Dann schob ich ihn in den Mund, dünn und zerbrechlich wie ein Ei.

VON VORN ANFANGEN
    Jeder hat doch schon mal die Werbung gesehen, in der dieser alte Kerl mit einem wunderschönen, rosahaarigen Starlet in silbernem Bikinitanga über den mondhellen Strand läuft, die Werbung, in der es heißt, es sei nie zu spät. Dieser Typ springt darin herum wie eine bescheuerte Gazelle, seine Füße berühren kaum den Sand, und in seiner karierten Badehose wackelt eine Wölbung so groß wie ein Vorschlaghammer; und dann dieses junge Mädchen, das kaum Schritt halten kann, so schnell ist er. Ist natürlich Schwachsinn, noch so eine Lüge, mit der sie einen locken und dazu bringen wollen, mit der Kreditkarte zwischen den dritten Zähnen die gebührenfreie Nummer zu wählen. Genau wie bei all den anderen verkünstelten Werbefilmen heutzutage. Sie verraten einem gar nicht mehr, was sie einem eigentlich verkaufen wollen. Ich meine, da könnte sich ein kleines Drama mit einem Elefanten und einer Sonnenblume abspielen, und am Ende kommt man drauf, dass es nur um Monatsbinden geht oder so.
    Und trotzdem, sie ködern einen mit dieser neuen Art von Geschichten, stürzen sich auf deine Reuegefühle und erraten jeden kleinen Kummer. Nehmen Sie mich zum Beispiel, Big Bernie Givens. Ich bin sechsundfünfzig, verlottert und fett und hocke im südlichen Ohio wie das Grinsen auf dem Arsch eines toten Clowns. Meine Frau schaudert schon, wenn ich Geschlechtsverkehr auch nur erwähne, und mein erwachsener Sohn isst das tote Zeug, das sich auf den Fensterbrettern ansammelt. Und dann muss ich mir noch zwanzig Mal am Tag diese Werbung anschauen.
    Ich träume manchmal nachts davon, noch mal ganz von vorn anzufangen. Dann wache ich auf, und die Werbemusik bohrt mir Löcher ins Herz. Wie schon gesagt, alles Schwachsinn.
    »Wie heißen noch mal die Dinger, wo sie die Leichen verbrennen?« frage ich meine Frau. Wir kriechen in der Drive-Thru-Schlange vor dem Fedder’s Dairy Queen voran, atmen Autoabgase ein, während Jerry auf dem Rücksitz herumtobt wie ein gefangener Affe im Netz. Es ist der schlimmste Sommer aller Zeiten, ein einziger massiver Hitzschlag. Mein neues weißes Hemd hat bereits eiterfarbige Flecken, meine Sonnenbrille beschlägt von den fettigen Ausdünstungen. Wegen des Qualms aus dem Schornstein der Papiermühle auf der anderen Seite der Stadt stinkt es im ganzen County wie nach einem Riesenfurz. Und überall nur Sonne.
    »Krematorium?« sagt sie und gähnt. Sie reibt sich die Augen und fährt mit einer ihrer fleckigen Hände durch ihr dünnes braunes Haar, das von zu vielem Färben tot ist wie Stroh.
    »Nein, nicht das, drüben in Asien«, entgegne ich und wische mir den Schweiß von der Stirn. Ich hätte heute einfach den Mercury mit Klimaanlage nehmen und den Chevy zugedeckt in der Garage stehen lassen sollen. Ich sehe im Rückspiegel, wie Jerry mit dem Plastiknetz kämpft, mit dem wir ihn in Schach halten, sodass er nicht einfach raus in den Straßenverkehr springt. Blaue Adern, dick wie Finger, stehen ihm am roten Hals. Der arme Kerl gibt einfach nie auf.
    »Scheiße, woher soll ich das denn wissen?« stöhnt

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