Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knockemstiff (German Edition)

Knockemstiff (German Edition)

Titel: Knockemstiff (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
Vom Netzwerk:
Dunkelheit. »Wo ist Sandy?« fragte sie.
    »Weiß nicht genau«, antwortete ich mit klappernden Zähnen. »Sie ist weg.«
    »Und meine Zigaretten?«
    »Ich hab Ihnen eine Schachtel mitgebracht«, sagte ich und hielt sie ins Verandalicht. »Sandy hat die anderen.«
    »Dieses Mädchen«, meinte sie nur und öffnete die Fliegentür. »Die hat nicht mal genug Verstand, um ein Loch in den Schnee zu pinkeln.« Ich trat ins Wohnzimmer und legte meinen Mantel ab. In der Glotze lief
The Love Boat
. »Oh Mann«, sagte ich, »die Serie habe ich ja schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.« Es war eine der Lieblingssendungen meiner Mutter gewesen, aber ich hatte sie immer für Schwachsinn gehalten, weil sich darin ständig alle verliebten und zum Happy End hin immer alles kriegten, was sie wollten.
    Wir standen mitten im Wohnzimmer und starrten auf den Fernseher. »Ich würde alles für so eine Kreuzfahrt geben«, sagte Mary und machte die Schachtel Zigaretten auf.
    »Wo ist das denn?« fragte ich. Es sah alles so schön aus, die tropische Landschaft, die sexy Bikinis, das funkelnde blaue Wasser, selbst der kahlköpfige Kapitän in seinem Frack.
    »Hawaii«, antwortete Mary. »Ich hab die Folge schon ein Dutzend Mal gesehen. Siehst du die Frau da an der Reling? Die Ärmste weiß nicht, dass ihr Mann mit seiner neuen Freundin auch an Bord ist.« Sie ließ sich in den Fernsehsessel fallen und zündete sich eine Zigarette an. Die Spitze der Marlboro begann in ihrem faltigen Gesicht zu leuchten wie ein Bremslicht.
    »Sind sie das?« fragte ich. Zwei abgehalfterte Filmstars schlenderten an Deck, hatten die Arme umeinander gelegt und hielten ihre lächelnden Gesichter in die Sonne.
    »Ja«, antwortete Mary. »Gleich fliegt der ganze Scheiß auf.«
    Nach ein paar Minuten nickte Mary in ihrem Sessel ein. Ich nahm mir eine Zigarette aus der Schachtel und ging in die Küche. Ich stand rauchend am Fenster und fragte mich, ob Sandy und ihr Holzfäller jetzt wohl irgendwo vögelten, zwei Herzen, die wie Vorschlaghämmer gegeneinanderschlugen, während meines fast stillstand. Plötzlich fiel mir Albert ein; ich holte eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank und ging über den Flur, um bei ihm nach dem Rechten zu sehen. Es war zwar gegen Marys Regeln, aber ich fand, er konnte einen Schluck vertragen. Das Nachtlicht, das in einer Steckdose über ihm steckte, beschien sein Gesicht wie ein blassblauer Stern. Ich setzte mich neben ihn und schraubte die Flasche auf. »Hallo, alter Mann«, flüsterte ich, »lass uns was trinken.«
    Ich steckte den Strohhalm in die Flasche, erst dann bemerkte ich, dass Albert tot war. Das war wohl das erste Mal in seinem Leben, dass er einen Schluck ablehnte. Ich saß eine Weile bei ihm, trank aus der Flasche und dachte an Sandy. Irgendwann morgen würde sie hereingeschneit kommen, und ich entschied, dass ich das nicht erleben wollte. Meine Arbeit hier war getan. Ich machte das Licht an, durchsuchte die Pillenschublade, fand ein Fläschchen Demerol. Dann beugte ich mich vor und schloss so vorsichtig, wie ich konnte, Alberts trockene, rosige Augenlider.
    Ich kehrte ins Wohnzimmer zurück, zog mir den Mantel an und steckte die Weinflasche ein. Als ich zur Haustür ging, sah ich eine von Sandys Zeichnungen auf dem Beistelltisch liegen. In fetten Buchstaben hatte sie GESUCHT über den Schrumpfkopf des gezeichneten Mannes geschrieben. Ich steckte das Bild in die andere Tasche, dann ging ich auf Zehenspitzen zu Mary hinüber, nahm ihr die Schachtel Zigaretten aus der Hand und ließ drei Stück für sie im Aschenbecher zurück.
    Ich stand einen Augenblick lang vor dem Haus und ging dann die Straße hinunter. Die kalte Luft drang mir schnell durch den Mantel, und mir ging auf, dass ich es in der Nacht wohl nicht aus der Senke herausschaffen würde. Ganz Knockemstiff schlief, sogar die Hunde, und ich konnte nirgendwohin. Als ich bei Haps Gasbetonhaus ankam, war ich bereits durchgefroren. Ich stand zitternd mitten auf der Straße und versuchte, zu entscheiden, was zu tun war, dann sprang ich über den Entwässerungsgraben und stieg den Hügel hinauf. Dornen und Strauchwerk kratzten mir die Haut auf und rissen an meiner Kleidung, aber schließlich schaffte ich es bis zu Eules Auto.
    Ich zog die rostige Tür auf und kroch in den Newport, machte mein Feuerzeug an und sah mich um. Schmutzige graue Federn überall; trockener blasser Kot klebte auf dem verblichenen Stoffbezug des Sitzes. Ich hörte ein Knacken wie von trockenen

Weitere Kostenlose Bücher