Knockemstiff (German Edition)
wie eine Schnecke und von einer Erkältung ganz verrotzt auf dem Rücksitz, ich zog meinen Mantel aus und warf ihn ihm zu. Getrocknete Cornflakes vom Vortag klebten ihm noch wie Mörtel im Gesicht, und die neuen Sachen, die Dee ihm in der Woche zuvor gekauft hatte, waren schon eingesaut.
Der klamme graue Himmel bedeckte das südliche Ohio wie die Haut einer Leiche. Die Umgebung bestand aus einer scheinbar endlosen Reihe niedriger Metallschuppen, in denen billiger Krempel angeboten wurde: Teppichreste, Gebrauchtmöbel, Handarbeiten. Dee hatte darauf bestanden, dass ich fuhr, also hatte ich mich bei meinen morgendlichen Oxys zurückgehalten und war nervöser als sonst. Dafür war die kalte Luft, die durch die Fenster hereindrang, nach einem Monat im Trailer eine echte Erfrischung. Unterwegs sah ich mich sogar ein wenig nach Geschäften um, nach Möglichkeiten für einen Einbruch.
Dann fing Dee wieder mit ihrem Quatsch an und laberte was von reichen Berühmtheiten und deren Privatleben. Ein Fremder hätte glauben können, sie würde diese Leute persönlich kennen, so wie sie ihre Bedürfnisse und Wünsche beschrieb. Ich schaltete ab und dachte an die beiden 80er Oxy, die ich für den Notfall im Handschuhfach hatte. »Der arme Brad«, sagte sie wehmütig.
Ich dachte, sie meinte meinen Cousin, der mal wieder wegen Radkappen-Diebstahls verhaftet worden war. »Ach was, in drei Monaten ist er wieder draußen«, sagte ich. »Das schafft der kleine Scheißer doch im Schlaf.«
»Brad Pitt, du Idiot«, sagte Dee.
»Der kann mich mal.«
»Glaub mir, mein Herr, mich auch gern, wenn ich jemals die Gelegenheit dazu hätte.«
»Ha, das ist gut. Hast du das gehört, Marshall? Scheiße, du und dieser verdammte Esel.«
»Oder Tex«, sagte sie und hielt mir ihr fettes rundes Gesicht vor die Nase. »Was ist mit Tex, du Arschloch? Vielleicht könntest du den ja mal für mich klarmachen?«
»Wenn du den Mistkerl noch ein Mal erwähnst, schlag ich dir die Fresse ein«, sagte ich. Wieder mal bedauerte ich, ihr überhaupt von den zwei Riesen erzählt zu haben. Es stimmte zwar, dass Tex mich in jener Nacht zum Krankenhaus gefahren hatte, statt mir den Schädel einzuschlagen, aber er hatte meinen Ruf ruiniert, indem er überall herumerzählte, ich hätte hinter der Drogerie um mein Leben gefleht und ihm sogar angeboten, ihm einen zu blasen, wenn er Gnade walten ließe. Jeden Tag betete ich darum, dass man ihn schnappte.
Wir standen an einer roten Ampel außerhalb von Portsmouth, als ein silberner Lexus neben uns hielt. Ich sah hinüber und war sofort wie getroffen von dem herausfordernden, strahlenden Blick der Fahrerin, der tollsten Frau, die ich jemals gesehen hatte. Sie begutachtete uns und lachte in ein Handy. Jeder Zentimeter von ihr strahlte Geld und Glück und gute Gene aus. Es hatte mal eine Zeit gegeben, da hätte ich zu ihr rübergerufen, ob sie nicht ’ne Nummer schieben wollte, doch nun fühlte ich nur Scham darüber, dass sie mich überhaupt ansehen musste. Meine Haare waren fettig und ungekämmt, meine Zähne schmierig gelb, meine Tattoos bedeutungslos und altmodisch. Ich schaute weg und wartete auf Grün.
Der Lexus schoss davon, ich ließ die Kupplung des Pintos langsam kommen und kriegte die ersten Krämpfe. Wegen der Opiate aß ich kaum noch was anderes als Schokoriegel und Eiscreme, aber an diesem Morgen hatte Dee darauf bestanden, bei Mickey D. zu frühstücken. Ich hatte mich mit Sodabrot und Würstchen, Egg Mc-Muffins und Schokoladenmilchshake vergiftet. Als wir in die Innenstadt kamen, wusste ich, dass das jetzt rausmusste. »Herrgott noch mal, halt einfach irgendwo an«, sagte Dee. Aber ich traute mich nicht in die Öffentlichkeit. Ich sah immer noch diese schöne Frau in dem tollen Wagen vor mir und wie sie die Nase rümpfte.
Ich kämpfte dagegen an, kniff den Arsch zusammen und klammerte mich mit beiden Händen ans Lenkrad, aber die Krämpfe wurden immer schlimmer. Aus lauter Verzweiflung bog ich in eine Seitengasse ein und entdeckte hinter einem alten Ziegelgebäude einen Müllcontainer. Ich trat auf die Bremse und sprang raus, stürzte hinter den Metallcontainer, riss mir die Hose herunter und ließ es laufen. Eine Sekunde lang war die Erleichterung besser als jede Droge, doch dann hörte ich hinter mir im Schotter Reifen knirschen. Ich schaute mich um und sah einen sich langsam nähernden Streifenwagen. Ich saß in der Falle, mein dürrer Hintern strahlte die beiden Bullen an, die in dem Wagen saßen. Ich
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