Knockemstiff (German Edition)
eingeladen hatte. Wir waren an die Haustür gekommen und hatten durch die Vorhänge Dee gesehen, die auf der Couch saß, den seidenen Morgenmantel halb geöffnet, und das Baby an ihren geschwollenen braunen Nippeln saugen ließ. In jener Nacht war sie schön gewesen. »Verdammt«, sagte Tex. »Schau dir das mal an.«
»Ich geh besser vor«, sagte ich.
Später, als Dee zu Bett gegangen war und Tex aufbrechen wollte, blieb er vor der Tür stehen und sagte: »Hör mal, ich weiß ja nicht, was du über so etwas denkst, aber ich würde ein hübsches Sümmchen für eine Nacht mit deiner Alten hinlegen.«
»Du machst Witze, richtig?«
»Wie wär’s mit zweitausend?« Tex sah aus wie ein abgesägter Riese, und er war an den unmöglichsten Stellen behaart. »Männlich« nannte er das, wann immer jemand den Mumm hatte, eine Bemerkung über sein Fell zu machen. Er glich einem Affen in Cowboystiefeln und Lederjacke.
»So dringend werde ich dein Geld niemals brauchen, Tex«, sagte ich und knallte ihm die Tür vor der Nase zu.
Das war erst vor ein paar Jahren gewesen. Nun war Dee voller Pickel und Fettwülste. Das Einzige, was sie außer fernsehen noch tat, war, mich auf meine Fehler hinzuweisen. Und selbst wenn sie mal gute Laune hatte, war es schrecklich. Dann kam sie auf die Idee, so zu tun, als sei sie ein Filmstar, und quatschte stundenlang über Krabbenküchlein und Abendkleider und den Sonnenuntergang hinter irgendeinem Haus am Strand. Dass sie bei mir blieb, war nur ein weiterer Beleg für ihre Trägheit. In einer fortschrittlicheren Gesellschaft hätte man uns beide wahrscheinlich umgebracht und an die Hunde verfüttert.
Marshall entwickelte sich schnell zu einem dieser mürrischen, unheimlichen Kinder, die nie ein Wort sagen, sich telepathisch mit ihrer Hausratte verständigen und von ewiger Schande träumen. All das Schweigen machte es für mich nur noch unerträglicher; nie war ein
Dad, Dad
von ihm zu hören. Sein Schweigen war ein Stachel in meinem Fleisch, wann immer ich wach war. Selbst das Gebrabbel eines Bekloppten wäre besser gewesen als nichts. Sogar ein abgehacktes
Leck mich
wäre ab und zu ganz nett gewesen.
Manchmal schlug ich Dee vor, sie solle Marshall untersuchen lassen. »Er ist taub!« brüllte ich ihr ins Ohr. »Siehst du denn nicht, dass da was nicht stimmt?« Ich packte ihn an den schmalen Schultern und versuchte, einen Satz aus ihm herauszuschütteln. »Marshall, sag was, verdammt noch mal!« flehte ich ihn an, aber als ich ihn losließ, rollte er sich in der Ecke zusammen wie ein großer Fussel. Dann flippte Dee aus und fuchtelte mit den Händen herum wie in einer erfundenen Gebärdensprache; es war fast, als würde sie sich über mich lustig machen, weil ich mich sorgte. Wenn ich nachsetzte, warnte sie mich, sie sei kurz davor, ihre Familie anzurufen, die mich schon zurechtstutzen würde. Tatsächlich hatten die mir schon ein paarmal für grobes Verhalten, wie sie es nannten, in den Arsch getreten, und ich achtete sorgsam darauf, wie ich häusliche Gewalt anwendete. Also zog ich mich zurück, zerkaute noch eine Oxy, kroch ins Bett und tat Marshalls Schweigen als ein weiteres Problem ab, das Dee einfach nicht sehen wollte.
Meine Medikamente wurden zwar von der Stütze bezahlt, und jeden Monat schickte mir die Regierung einen Scheck wegen meines kaputten Rückens, aber wir waren trotzdem immer pleite. Gegen Monatsende gingen uns all die Sachen aus, die so ein Leben halbwegs erträglich machen – Süßigkeiten, Eis und Zigaretten –, und so deutete ich Dee gegenüber an, dass wir vielleicht Blut verkaufen sollten. Das war die einzige Arbeit, zu der ich sie bewegen konnte. Mein Blut war wertlos, wegen der Hepatitis, aber Dee war AB negativ und noch keimfrei. Die Labortypen empfingen sie mit offenen Armen. Wir fuhren nach Portsmouth und verkauften einen halben Liter in der Klinik an der Fourth Street, dann noch einen in dem Labor unten am Fluss. Wenn sie ihr das zweite Mal Blut abgenommen hatten, war Dee immer weiß wie ein Laken und kalt wie Eis. Sie fühlte sich als etwas Besonderes mit ihrem seltenen Blut. Aber das war auch das Einzige, was irgendjemand von ihr wollte.
Eines bitterkalten Morgens im November machten wir uns also zum hundertsten Mal auf die Reise, um ihr Blut zu verkaufen. Der Auspuff des Pintos war im Arsch, und weil das Kohlenmonoxid durch den durchgerosteten Unterboden eindrang, mussten wir die Fenster herunterkurbeln, um uns nicht zu vergasen. Marshall hockte stumm
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