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KNOI (German Edition)

KNOI (German Edition)

Titel: KNOI (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schalko
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klang. Grace zog ihre hautfarbenen Lederhandschuhe an und ließ sich den Fahrtwind auf die geschlossenen Lider wehen. Sie spürte seinen Blick, während er aufs Gas stieg, seinen zu langen Blick, der auskostete, sie unbeobachtet ansehen zu dürfen, der ihren Hals liebkoste, ihren Nacken, ihre Schulter, sein zu langer Blick, der ihr den Lippenstift vom Fleisch biss und ihr Farbe ins Gesicht treiben wollte, sein Blick, der unaufhörlich aufs Gas stieg und ihr alles auszog, nur die Perücke nicht, der sie an den Beifahrersitz fesselte und aufs Gas stieg und sie ansah und darauf wartete, wer als Erstes Stopp sagte, sein viel zu langer Blick, in den sie sich sinken ließ, in das Aufheulen des Motors, eine unendliche Rampe aus Luft und Lärm und Wille und Vertrauen, und dieses Chanson aus Hoffnungslosigkeit und Vergeltung, und ihre Lider, die eine dunkle Landschaft vor sich aufrissen, und der Kopf, der sich drehte, um seinen Blick zu erwidern, und die Enttäuschung, dass sein Blick auf die Fahrbahn gerichtet war. Abwesend und stur, nichts begehrend, außer mit seinem japanischen Sportwagen zu prahlen, aufs Gas zu steigen, um sie das Fürchten zu lehren. Aber Grace blieb kühl, sie zog die Jacke über ihre nackte Schulter und sagte sanft, dass ihnen niemand gefolgt sei, er brauche also nicht zu rasen. Sie sagte das kaum hörbar zwischen dem Aufheulen des Motors, und er neigte seinen Kopf zu ihr, hielt ihr das Ohr an die Lippen, und sie flüsterte, bist du dir sicher, dass du das willst, es gibt kein Zurück, ab jetzt ein Wir, kein Du oder Ich, wir schlafen, essen, sprechen, denken gemeinsam, wir fahren und es ist egal, wessen Augen und wessen Hand das Steuer –. Grace. Er unterbrach sie, sah sie an, viel zu lange, ohne den Fuß vom Gas zu nehmen. Grace, sagte er, als wäre es ihr gemeinsamer Name. Sie zog den Lederhandschuh Finger für Finger von der Hand. Er lag wie abgezogene Haut in ihrem Schoß. Sie lächelte. Richard, sagte sie, und seine Pupillen pulsierten vor Aufregung. Er wollte den Blick von ihr nehmen, als zwei Fernlichter einschlugen, aber Grace sagte Nein. Ihre Hand umfasste das Steuer. Schau mich an, sagte sie, schau nie wieder etwas anderes an. Richards Blick gehorchte ihr, über die Lippen, den Hals bis in den Nacken. Er wollte sie endlich berühren, stieg aufs Gas, während sie die Straße im Auge behielt. Es konnte nicht mehr warten. Seine Lippen hielten vor ihrem Ohr, sie wartete auf den Befehl, den Schwur, das Geständnis, stattdessen fuhr ihm die Zunge aus dem Mund, versuchte, ihr ins Gehirn zu kriechen, klopfte immer lauter gegen die Ohrmuschel, kreiste immer schneller um den Eingang, pochte immer stärker auf sich selbst.
    - Lass das!
    Grace nahm den Blick nicht von ihm, bis er den seinen einsichtig gesenkt haben würde. Aber Richard hielt den Blick, zu lange hatte er darauf verzichtet, zu lange hatte er auf diesen Blick gewartet, der ihn zurechtwies, der ihn erkannte, der ihn entlarvte, dem er sich bedingungslos unterwerfen musste, von dem er beurteilt wurde, von dem er begehrt werden wollte, in dem er ein einziges Mal das Erstaunen sehen wollte, wenn sie von der eigenen Erregung überrascht war, von etwas Unbekanntem hinterrücks aufgelauert, dessen Pupillen er in tausende kleine Kristalle zerklirren sah, der plötzlich gleißend aufleuchtete und in völligem Weiß verschwand.
    Als sie wieder zu Bewusstsein kam, hatten die Grashalme ihre weichen Lanzen gegen sie gerichtet. Die Bäume hingen verkehrt und drohten in die Sterne zu fallen. Sie sah Schuhe, die miteinander sprachen. Sie sagten Dinge, die sie schon oft gehört hatte. Deshalb achtete sie nur auf die Stille, die dahinter lag, die aber nach einem Unfall immer lauter war als alles andere. Aber da war noch etwas, so regelmäßig wie ein rasender Herzschlag, keine Sirene, ein Sattelschlepper, ein Computerspiel, ein Wecker, ein Ortungsgerät, Röntgenapparate, Geigerzähler, eine Einparkhilfe, der Gurt, wie nannte man das, gab es einen Namen für dieses Geräusch, dieses Gurtanlegeaufforderungstüten, dieses Anschnallbefehldauerpenetrationsdröhnen, hatte sich denn da noch nie jemand Gedanken gemacht, dass für wichtige alltägliche Dinge, nein, Undinge, einfach Worte fehlten, und wenn nicht, dass es dann rein funktionale Zusammensetzungsworte waren wie Kundentrennstab oder Personenvereinzelungsanlage, in denen die Hässlichkeit dieser Welt, die Verwahrlosung des Schönen sichtbar wurde, und könnte jetzt bitte jemand dieses Geräusch ausmachen.

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