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KNOI (German Edition)

KNOI (German Edition)

Titel: KNOI (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schalko
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es an der Tür läutete. Auch ans Telefon war sie nur selten gegangen. Er bewunderte an ihr, wie unabhängig sie von anderen Menschen existierte. Andererseits war er nicht sicher, ob es sich nicht um ein Krankheitsbild handelte. Sie lebte eine Robinsonade, und Jakob war ihr Freitag. Und jetzt saß Freitag allein auf der Insel. Er hätte zwar die Möglichkeit gehabt, in das Schiff, das sich näherte, einzusteigen, aber eigentlich hatte er sich längst dagegen entschieden. Wie ein Gefangener, der sich in der Freiheit nicht mehr zurechtfand. Aber er war kein Gefangener. Auch kein Freiwilliger. Niemand hatte bei ihm je so genau hingesehen wie Jennifer. Dieser Blick, dem nichts entging, der sich für alles an ihm interessierte, der alles beurteilte und kenntlich machte, der nichts an ihm durchgehen ließ, der Jakob ohne jede Biografie erkannte, der ihn begleitete und sich nie täuschen ließ, dieser Blick fehlte ihm. War es Liebe, wenn die Liebe einen Grund hatte?
    Das Läuten hörte nicht auf, also ging er zur Tür. Er verstand den Namen nicht, trotzdem öffnete er, ließ die Tür angelehnt und setzte sich wieder auf den Boden. Der Knoi lebte im Moment. Er vergaß auch schnell, Personen wie Ereignisse und Gefühle. Schnell begriff man, dass seine Freundlichkeit nichts mit einem selbst zu tun hatte, sondern grundsätzlich war. Der Knoi hatte sich die Fähigkeit erhalten zu staunen, den Kopf neugierig zu neigen und manchmal ein mitfühlendes Seufzen auszustoßen. Sonst hielt sich der Knoi fern. Er war der Letzte seiner Art. Hallo? Auch die Zonz war die Letzte ihrer Art. Und die beiden waren eine Symbiose eingegangen wie Frosch und Tarantel. Nie wieder würde Jakob an einer derartigen Katastrophe schuld sein. Nie wieder würde eine Entscheidung so viel bedeuten. Hallo. Der Knoi neigte erstaunt den Kopf. Hallo, erwiderte er. Der junge Mann sah aus wie eine schüchterne Echse, die am Ende doch ihrer Neugier zum Opfer fiel.
    - Kommen Sie herein.
    Der Knoi blickte nicht auf, sah nicht, dass der kleine, schlanke Mann im blauen Acrylhemd und mit dem weißen Halstuch sein blondes Haar heute offen trug. Aber er hörte seine Stimme und darin den kaum noch wahrnehmbaren ukrainischen Akzent. Er schätzte die Stimme wesentlich jünger, und als der Mann, der sich als Branko vorstellte, seine Schuhe auszog und sich neben ihn setzte, da sah ihn Jakob das erste Mal an. Es waren schöne, geschlechtslose Augen, gekränkt, aber ohne Missmut. Ja, sagte Jakob, ohne eine Antwort zu erwarten. Ja, sagte Branko, der auf die Schachtel deutete.
    - Ist sie das? fragte er.
    Jakob nickte. Er hielt ein Foto von Jennifer und Conny hoch. Sie saßen gemeinsam auf einem Dreirad.
    - Ihre Schwester?
    - Ja. Sieht man auf einen Blick, oder?
    Branko nickte und nahm ein anderes Foto zur Hand. Es zeigte den Vater, der eine der beiden Schwestern als Baby auf dem Arm hielt. Branko meinte Conny, Jakob hingegen Jennifer. Sie zuckten beide die Achseln und sahen einander eine Zeitlang an. Ein seltsames, stirnrunzelndes Lachen lag in ihren Gesichtern. Ab diesem Moment war klar, dass Branko nicht so schnell gehen würde. Also holte Jakob aus der Bar eine Flasche Grappa und zwei Gläser, füllte sie und reichte eines davon Branko, der einen Ring in die Höhe hielt. Jakob nahm ihn und drehte den blauen Stein in alle Richtungen. Der Verlobungsring, flüsterte er und Branko wiederholte, Verlobungsring, und beide nickten. Verlobt? fragte Branko, und Jakob erwiderte: Ja, verlobt. Er deutete auf das Babyfoto mit dem Vater. Verlobt, sagte Jakob, und Branko nickte und sagte: Jennifer, worauf Jakob den Kopf schüttelte und Conny sagte. Der Ring war lose in der Kiste gelegen, und Jakob schien es stimmig, dass er in Jennifers Box aufbewahrt wurde. Denn Conny lebte, und der Ring gehörte zu den Toten. Jakob empfand eine diffuse Sehnsucht nach Conny, die er allerdings nie kennengelernt hatte. Beide Geschwister fühlten sich im Augenblick wie erfunden an. Als wären sie nur Schlagschatten des eigenen Daseins, Deponien entsorgter Gefühle, Gedanken, die man einfach gehen ließ, Satelliten ohne Auftrag, halbtransparente Wesen, die einen eigenen Körper verlangten. Er würde Konrad nicht mehr anrufen. Ab jetzt würde er in dieser Wohnung sitzen und warten. Die Dinge sollten endlich zu ihm kommen, nicht umgekehrt. So wie dieser Branko, dem er jetzt zuprostete. Jakob wollte so etwas sagen wie: Die Dinge, die einen finden wollen, die finden einen, ließ es aber bleiben, viel zu abgeschlagen

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