Knuddelmuddel
Evelina.
Ja, gerne, aber bloß nicht mehr diese Filmmusik von Amélie, die ist gefährlich, nicht Amélie, aber die Musik, wenn man die lange genug in einer Dauerschleife hört, dreht man ab. Man versinkt in eine andere Welt. Man wird ganz schwermütig. Wahrscheinlich muss man diese Filmmusik der schwarzen Romantik zurechnen. Womöglich gibt es diese schwarze Romantik nicht nur in der Literatur, sondern auch in der Musik.
Sehnsucht, Melancholie, Gemäuer und Tod.
Ein Gemäuer ist ja auch daran schuld, ein schwarze-Romantik-Gemäuer in einem Park wie aus dem letzten Jahrhundert, dass ich jetzt hier liege. Das kommt davon, wenn man nicht guckt, wo man hinläuft. Wenn man die Augen nicht auf dem Boden hat, sondern in der Höhe. Wenn man nicht sieht, was vor einem liegt, sondern in die Ferne guckt. (Ist das jetzt eine Metapher für das Leben überhaupt? Gut, dass hier nicht der Walzer der Amélie läuft, das würde mich doch jetzt gleich wieder total aus den Puschen hauen).
„Und wenn Sie was brauchen, dann klingeln Sie einfach durch“, sagt Dona Evelina, während die ersten Töne von Pablo Alborán erklingen. Spanische Musik. Der Überraschungshit des Jahres. Vielleicht muntert mich das auf.
„Ich muss dann mal, mein Enkel kommt nachher, der will mir zeigen, wie das mit diesem Skypen am Computer geht“.
E-mail von Elke Schmidt an Helene Schmidt
Liebe Mutti, es geht mir gut. Und ehe du es auf dem Goldbekmarkt von jemand anderem hörst, also ich bin nicht mehr mit Tomas Bornhöfer zusammen. Wir haben uns getrennt. Der Tom ist wirklich nett, aber (aber was – ich überlege und überlege, was war es eigentlich, was ist da schief gelaufen? Er hat mir übel genommen, dass ich noch in einen anderen Mann verliebt bin? Die Magie hat gefehlt? Ist es das, was ich will? Die Magie? Das ist wahrscheinlich völlig unrealistisch, noch dazu in meinem Alter, und doch ist es genau das, was ich will) wir haben festgestellt, dass wir doch nicht so gut zusammenpassen, wie wir dachten. (Stimmt so nicht, wir passen ja zusammen, sehr gut sogar, nur irgendetwas fehlt eben trotzdem ). Ich hoffe, es geht dir gut, liebe Grüße, deine Elke
PS: ich habe mir das Knie verletzt, nichts Schlimmes, muss es nur ein paar Tage schonen
(Wie ich das Knie verletzt habe, schreibe ich lieber nicht, das ist mir ja doch irgendwie peinlich. Da sieht man – die e-mail an meine Mutter entspricht der Wahrheit und doch auch wieder nicht).
E-mail an Andrea Reese:
Hi Andrea, du hast recht – nicht in dieses Reisebüro zu müssen, ist in der Tat ein schöner secondary gain. Mir war garnicht so klar, dass ich da eigentlich garnicht so gerne hingehe. Um ehrlich zu sein, die Arbeit im Reisebüro langweilt mich. Oder eigentlich ganz ehrlich: die Arbeit im Reisebüro geht mir tierisch auf den Keks. Ich hasse die Kunden. Ich kann das Wort Sonne nicht mehr hören und mein Lächeln fühlt sich an wie ein gefaktes Dauergrinsen. Das ist keine gute Einstellung um in einem Reisebüro Reisen in die Sonne zu verkaufen.
Aber irgendwas muss man ja machen, und da schien mir das Reisebüro eine gute Variante. Jedenfalls bisher. Und es war auch einfach das, was sich anbot bzw. mir angeboten wurde. Und ich wüßte auch nicht, was ich sonst machen könnte ...
Leider gibt es auch secondary losses. Und zwar reichlich. Ich kann nicht auf die Straße. Ich kann nicht in der Pastelaria Covas sitzen und Passanten beobachten. Ich hänge hier die ganze Zeit in meiner Wohnung meinen Gedanken nach. Oder ist das im Grunde auch ein secondary gain? Ist das womöglich gut für mich? Kann eine Sache gleichzeitig ein Gewinn und ein Verlust sein?
Wie geht es dir eigentlich?
Ist es nicht verrückt zu hören, dass Bine jetzt Großmutter wird?
Hast du eigentlich je bereut, dass du keine Kinder bekommen hast? Ich komischerweise nicht, wenn ich es mir so recht überlege. Und Zeit zum Überlegen habe ich ja jetzt. Ich wollte nie wirklich Kinder haben, bis auf die kurze Phase, als ich mit Sven zusammen war – du erinnerst dich? Stockholm? Sommer neunzehnhundert-was-weiß-ich, irgendwann im letzten Jahrhundert? Da war ich einmal kurz in Versuchung, mit Sven hätte ich es mir vorstellen können. Vielleicht war es aber auch nur der schwedische Sommer, die rostroten Holzhäuser und der Wunsch nach der Unbeschwertheit von Bullerbü. Nach einem Leben wie in einem Kinderbuch von Astrid Lindgren.
Meine Liebe, was treibst du so? Lass doch mal von dir hören!
Küsschen Elke
PS: meinst
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