Knuddelmuddel
mir in der Wohnung. An der Wand. Zwischen den Bücherregalen, wo auch das alte Klavier stand.
Ist ja auch komisch, jetzt wieder ein Klavier zu haben. Irgendwie hatte ich mich an die Lücke richtig gewöhnt, und an die Spuren auf dem Parkett. Jetzt wirkt das Klavier da ganz fremd.
Wir essen Kuchen und dazu gibt es Milchkaffee, und dann installieren Vasco Duarte und Claudio eine Satellitenschüssel. Die haben sie extra für mich im Baumarkt geholt. Es war ein günstiges Angebot, sagt Vasco Duarte, und sie wollen sie mir schenken.
Ich will schon anfangen, von wegen, das kann ich nicht annehmen und so (weil es ja weit über Blumen und Pralinen hinausgeht und damit über das, was eine Lady guten Gewissens annehmen kann), aber zum Glück stoppt mich meine Nachbarin aus dem dritten Stock. Selbstverständlich nehme ich das gerne an, läßt Evelina die beiden Männer wissen und kocht schon mal den Kaffee.
Zu Kaffee und Kuchen erzählt sie uns, wie sie als junges Mädchen in Brasilien auf Schatzsuche gegangen ist, oben im Nordosten von Brasilien. Da war sie gerade mal zwanzig. Sie ist mit einem Frachter von Angola, wo sie aufgewachsen ist, nach Brasilien gefahren und hat ausgerüstet mit der fixen Idee und der Schatzkarte ihres Onkels Roberto und dem von ihrer Großmutter geerbtem Geld nach Gold gesucht. Sie hat ein paar Einheimische angeheuert und ist mit ihnen in die Gegend von Piaui gefahren. Dort haben sie Gold gesucht, bis ihr Geld eines Tages aufgebraucht war.
Und dann?, fragen wir, was passierte dann?
Ich habe mir in Santa Catarina eine Stelle gesucht, als Gouvernante, Geld für die Rückfahrt hatte ich ja nicht mehr, erzählt Dona Evelina. Und dann war ich ein paar Jahre lang Gouvernante auf einer Rinderfarm. Bei einer deutschen Familie übrigens, daher ihre guten Deutschkenntnisse, in Südbrasilien wohnen viele Deutschstämmige, aber das wussten wir bestimmt schon, oder? Sie hat die Kinder gehütet. Und musste sich um die kranke Frau des Gutsbesitzers kümmern, aber das ist eine andere Geschichte und die erzählt sie ein andermal.
Es wird geradezu eine kleine Party. Ich setze mich an das Klavier und spiele. Was habe ich das Klavierspielen vermisst! Es hat mir wirklich gefehlt.
Ich spiele sogar den Walzer der Amélie, weil mich Evelina drum bittet. Danach einen Song von Nat King Cole. Ja, genau, den mit dem schönen Text über die Liebe – the greatest thing you´ll ever learn is just to love and be loved in return . Das Wichtigste, was man im Leben lernt, ist zu lieben und geliebt zu werden. Wie recht er hat, der Mr Cole. Und ich will´s ja auch lernen, ich weiß nur nicht, mit wem und wie und wo und überhaupt. Und immer, wenn ich es versuche, geht es schief. Vermassel ich das irgendwie? Oder legt mir ein grinsendes Universum Stolpersteine in den Weg? Dann landen wir bei Nina Simone. Und singen alle gemeinsam:
I want a little sugar
In my bowl
I want a little sweetness
Down in my soul
I could stand some lovin`
Oh so bad
Feel so lonely and I feel so sad
Dann bitten mich alle um einen deutschen Song, jetzt sing doch mal was Deutsches. Ach nee, sage ich, mir fällt nichts ein. Ach komm, sagen sie, du musst doch ein deutsches Lied kennen. Aber mir fällt echt nichts ein. Es muss doch ein deutsches Lied geben, wie kann es angehen, dass ich hier alle möglichen Lieder aus aller Welt kenne, aber kein deutsches Lied? Ah – ich hab´s. Ich singe: Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord, in den Kesseln, da faulte das Wasser und täglich ging einer über Bord . Und weil es so schön ist, gebe ich als Zugabe noch: Die Affen rasen durch den Wald, der eine macht den anderen kalt, die ganze Affenbande brüllt: Wo ist die Kokosnuss? Wo ist die Kokosnuss? Wer hat die Kokosnuss geklaut?
Die Lieder spielen jetzt zwar nicht in Deutschland, aber sie sind wenigstens auf Deutsch und was Anderes fällt mir nicht ein.
Als erstes verabschiedet sich der Francisco, er will noch heute nach Madrid zurück. Dona Evelina will wieder an ihren Computer, jetzt, wo dieses Skype geht, sagt sie, möchte sie es auch ausprobieren und mit ihrer Freundin in Luanda skypen, die hat sie nämlich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Zum letzten Mal vor zehn Jahren in Santa Catarina, als sie sich in Brasilien getroffen haben, als Dona Evelina eine Kusine besucht hat. Vasco Duarte hat noch ein Geschäfts-Freundes-Essen, eins von diesen Essen, wo es ineinander übergeht, und man nicht genau weiß, was hier Business und
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