Knuddelmuddel
was einfach nettes Beisammensein ist. Und so kommt es, dass Claudio und ich plötzlich alleine in der Wohnung sind.
„Und jetzt?“, sagt Claudio. „Sollen wir was essen gehen?“
Warum eigentlich nicht – ich bin hier seit Tagen nicht rausgekommen. Das fühlt sich an wie Hafterleichterung.
„Gerne“, sage ich.
„Es gibt einen sehr guten Chinesen“, sagt Claudio, „gleich hier um die Ecke, wie wär´s damit? Isst du gerne chinesisch?“
„Sehr gerne“, sage ich. „Ich liebe chinesisches Essen. Alles, bis auf chinesisches Fondue“.
„Mmmh“, sagt Claudio. „Eigentlich ist ein chinesisches Fondue aber doch das Beste überhaupt. Was spricht gegen ein chinesisches Fondue?“
„Also gut, ich werde es dir erzählen“, sage ich, während Claudio mir hilft, die Treppe nach unten zu gehen. (Es fühlt sich gut an, von Claudio gestützt zu werden. Da sieht man – noch ein secondary gain eines kaputten Knies. Man wird von netten jungen Männern gestützt). Auf der Straße winkt er einem Taxi und wir fahren zum Chinesen, damit ich nicht laufen muss.
VII
Die Affen rasen durch den Wald, der eine macht den anderen kalt. Die ganze Affenbande brüllt: Wo ist die Kokosnuss? Wo ist die Kokosnuss? Wer hat die Kokosnuss geklaut?
Mann, das Lied ist ja ein Ohrwurm, das geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Und der Abend auch nicht. In meinem Kopf sieht es aus wie in einem digitalen Fotorahmen. Die Bilder laufen durch, wechseln sich ab, wiederholen sich in Abständen.
Ich sehe mich vor dem Brunnen sitzen, und Claudio neben mir, er schiebt das blaue Kleid hoch und berührt dabei leicht mein Bein.
Claudio, der mich im Treppenhaus hält und stützt. So vorsichtig, so fürsorglich, so stark.
Wir beide beim Chinesen, also im chinesischen Restaurant, Claudio hält mir die Gabel hin und sagt: Das musst du probieren, das ist ausgezeichnet, was für eine Kombination, und ich probiere, und es ist ausgezeichnet. Garnele, Ananas, scharfe rote Soße. Was für eine Kombination!
In Rickys Bar. Schummerlicht durch Kerzenschein. Wir sitzen auf der Bank hinten im Raum, an die Wand gelehnt, Claudio in der Ecke, er sitzt lässig und locker, er hat die Knie etwas hochgezogen, die Hände umfassen die Knie, er lacht. Ich sehe sein Gesicht halb im Profil, er ist mir gleichzeitig so fremd und so vertraut. Dunkle Haare, braune Augen. Warme braune Augen. Ich habe das Gefühl, ich kenne ihn schon und doch gibt es noch so viel zu entdecken. In manchem sind wir uns so ähnlich, ich sehe es an seiner Kleidung, lässig, aber von guter Qualität, in seinem Benehmen, wie er die anderen wahrnimmt, wie er auf sie eingeht. Nett zum Kellner ist und sich bedankt, wenn ihm etwas serviert wird. Und dann wieder sind wir so verschieden, er hat in Moskau Mathematik studiert und ich kann mich nur sehr dunkel daran erinnern, was ein Dreisatz ist. Integralrechnung habe ich nie verstanden, er findet es spannend. Zahlen sind faszinierend, sagt Claudio. Und da gibt es noch so viel zu entdecken. Ich stimme zu. Er meint allerdings die Zahlen. Ich meine Claudio.
Und warum hast du in Moskau studiert, frage ich. Warum nicht, hat Claudio gesagt, und Moskau ist eine tolle Stadt. Vor allen Dingen, was das kulturelle Angebot betrifft. Claudio geht gerne ins Theater und er liebt die Oper, und ich habe in meinem Leben noch keine Oper gehört, außer natürlich die bekannten Songs, die in Filmen wie Mondsüchtig vorkommen. Und ich war natürlich auch mit Julia Roberts in der Oper, in – ja, wo ist das, San Francisco, oder so glaube ich, sie fliegen da extra von LA hin, in einem Privatflugzeug, aber das ist es auch schon mit meiner Opern-Kenntnis, ich muss es zugeben, meine Opern-Kenntnis besteht aus Mondsüchtig und Pretty Woman . Vielleicht liebt er die Oper, weil er Italiener ist. Also zur Hälfte. Sein Vater ist Italiener, seine Mutter Portugiesin, aufgewachsen ist er in Rom. Nie in meinem Leben hatte ich vor, in die Oper zu gehen, jetzt ist es plötzlich denkbar. Du hast noch nie La Bohème gesehen, sagt Claudio und kann es kaum glauben, dann wird es aber Zeit, sie spielt gerade im Teatro Real in Madrid, und Madrid ist im Grunde ja nur ein Katzensprung von Lissabon, fünf, sechs Stunden und man ist in Madrid, das ist La Bohème allemal wert, was hältst du davon, sollen wir dahin fahren?
Was ich davon halte? Ganz viel halte ich davon, schon deswegen, weil es bedeutet, stundenlang zusammen irgendwohin zu fahren. Stundenlang zusammen in einem Auto zu sitzen. Stundenlang
Weitere Kostenlose Bücher