Knuddelmuddel
nicht eine Lücke.
Neulich habe ich hier ein Auto aus Grönland gesehen, hier in unserer Straße. Ist das nicht unglaublich? Was macht ein Auto aus Grönland hier in Lissabon? Und es war ein kleines Auto, nicht so eine große bequeme Limousine, mit der man gut so eine lange Reise machen kann. Nein, es war ein kleines Auto, sowas wie ein Polo oder so. Und am Heck das Länderkennzeichen, ein schwarzes GRO auf weißem Grund. Ein gelbes Nummernschild mit schwarzen Buchstaben. Ich hatte vorher noch nie ein Auto aus Grönland gesehen. Und dann ausgerechnet in Lissabon. Wie kommt man überhaupt mit dem Auto von Grönland nach Lissabon? Das geht doch garnicht über Land, oder? Da muss man bestimmt eine Fähre nehmen. Oder sogar zwei. Oder drei. Was für eine weite Strecke manche zurücklegen. Wie weit sie von ihrem Heimatort entfernt sind. Und ich im Grunde ja auch.
Ein Mann überquert die Straße und geht mit schnellen Schritten in Richtung Amoreiras. Sonst ist niemand zu sehen. Alles ist menschenleer. Ich weiß natürlich, dass in all diesen Häusern Menschen wohnen und ich sehe sie ja auch tagsüber, im Café Covas und auf der Straße, aber jetzt hier in diesem Moment, wo man nicht einen Lichtschein in einem der Fenster sieht, fühlt es sich an, als wäre ich der einzige Mensch auf der Welt.
Es klopft.
Ist das der Wind? Ist da draußen etwas umgefallen, ist ein Ast auf ein Autodach geschlagen, oder hat der Wind Müll gegen eine Straßenlaterne geschlagen? Ich sehe genauer auf die Straße. Es klopft noch mal. Dieses Mal lauter. Ich fasse es nicht, das wird der João sein, was will der noch, ich habe ihm doch klar und deutlich gesagt, dass er sich hier nicht mehr blicken lassen soll. Dass ich mit ihm nichts mehr zu tun haben will. Aber für den Fall, dass er es nicht verstanden hat, sage ich es ihm gerne noch mal. Ich gehe zur Tür, reiße die Tür auf und sage: Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich nicht mehr ...
Es ist nicht der João.
In diesem Moment geht das Licht im Treppenhaus aus. Jetzt stehen wir beide im Dunkeln. Der fremde Mann und ich. Er noch mehr im Dunkeln als ich, denn in der Wohnung ist ja wenigstens der Schein von den Straßenlaternen.
Das war leichtsinnig von mir. Ich hätte wissen müssen, dass man das nicht macht. Das hat mir meine Mutter schon beigebracht, als ich drei war. Man macht nicht einfach so die Tür auf. Man fragt vorher, wer da ist. Und dann macht man nur auf, wenn da jemand draußen ist, den man kennt und auch reinlassen möchte.
Der Mann könnte ein Einbrecher sein. Ein Mörder. Der Axt-Mörder, der schwarze Mann, der ...
„Entschuldigen Sie“, sagt der Mann, „dass ich so einfach hier nachts aufkreuze, sind Sie Elke Schmidt?“
Wenn es ein Einbrecher ist, dann ist es ein höflicher und deutsch spricht er noch dazu.
Und was, wenn ich Elke Schmidt wäre, vielleicht sollte ich es lieber nicht sein. Was will der Mann hier?
„Warum?“, frage ich.
„Mein Flugzeug hatte Verspätung, wir haben stundenlang auf dem Rollfeld gestanden und dann mussten wir in Amsterdam zwischenlanden, weil ein Passagier einen Herzinfarkt hatte. Durch die schlechte Luft oder das lange Sitzen. Aber wahrscheinlich hatte er sowieso schon ein schwaches Herz.“
„Äh, ja“, sage ich und überlege, ob ich die Tür jetzt einfach wieder zumachen soll. Vor seiner Nase. Was ist das hier? So was wie früher diese Leute, die einem Zeitungsabos andrehen wollten, mit irgendwelchen schrägen Geschichten? Ich will nichts kaufen. Ich bin sowieso schon genervt, wegen dieser João-Geschichte. Und ich bin müde, ich will jetzt einfach nur schlafen.
„Wenn Sie entschuldigen“, sage ich und fange an, die Tür zuzuziehen, soll er seine Geschichten woanders erzählen.
„Und als ich endlich in meinem Hotel ankam, war es schon nach Mitternacht, und sie hatten mein Zimmer weggegeben“, sagt der Mann.
Pech für ihn.
„Pech für Sie“, sage ich.
„Und deswegen bin ich gleich zu Ihnen gekommen“, sagt der Mann.
Gleich zu mir? Was soll das denn heißen? Ich weiß nicht, was das für eine Masche ist, aber bei mir zieht sie nicht. Es gibt die unglaublichsten Maschen, mit denen irgendwelche Kriminellen einsame Frauen ausnehmen. Ganz besonders einsame Frauen jenseits der fünfzig, zu denen ich ja seit April auch gehöre. Weil das Schicksal mich gleich an einem Tag in einem Aufwasch zu beidem gemacht hat. Fünfzig und alleinstehend. Erst schicken die Typen einem e-mails oder chatten mit einem auf messenger und dann
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