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Knuddelmuddel

Knuddelmuddel

Titel: Knuddelmuddel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
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Bluesbar. Das sieht nicht mal im Entferntesten wie ein gradliniger Lebenslauf aus. Da kann man viel feilen und ziehen, das ist nicht gerade zu kriegen. Es zeigt mehr die klassische Scanner-Persönlichkeit, um nicht zu sagen: scatter-Persönlichkeit. Wie in to scatter gleich verstreuen oder auch: zerstreuen.
    Was eine Scanner-Persönlichkeit ist? Das sind die Leute, die kein eindeutiges Feld haben, an dem sie Interesse haben. Manchmal (also gut, oft) beneide ich diese Leute, die, die etwas haben, für das sie „brennen“. Etwas, das sie zum Glühen bringt. Das geht mir ab. Dabei habe ich meine Musik. Das ist schon gut. Und Jens denkt, die Musik ist es für mich und beneidet mich darum. Aber ich gehöre nicht zu den Leuten, die in der Musik aufgehen. Genauso wenig, wie ich im Buchladen oder im Reisebüro aufgegangen bin. Ich habe mich dort wohl gefühlt. Ich habe die Arbeit gerne gemacht, sogar gut, also sowohl gerne als auch gut, aber ich habe nicht dafür gebrannt. So wie Teresa und der Chef. Die sind mit Leib und Seele im Reisebüro.
    Der Chef lebt für das Reisebüro. In seinen Augen ist das Reisebüro ein Tor zur Welt und er ist derjenige, der den Leuten das Reisen, die Abenteuer, die große weite Welt ermöglicht. Und er hat damit recht, natürlich. Reisen bildet, sagt der Chef. Reisen verhindert Vorurteile steht auf einer Postkarte über seinem Computer. Und an der Wand hängt ein Foto, dass er auf einer Reise aufgenommen hat, man sieht ein Gebäude, graue Wände, Fenster in grünem Rahmen, und in großen goldenen Buchstaben steht da auf der ganzen Vorderfront des Gebäudes: SPECIALISTS IN THE ART OF TRAVEL . (Sind auch sechs Worte, übrigens, interessant.) So sieht der Chef seinen Beruf. Das ist sein Reisebüro. Das ist sein Leben. Und Teresa geht es vielleicht nicht ganz genauso, aber doch sehr ähnlich. Ohne uns, sagt Teresa, wäre die Welt noch viel schwieriger zu erobern. Teresa verkauft Träume, Abenteuer und Erfahrung und sie tut es richtig gerne.
    Und ich? Was ist mit mir? Was fehlt mir?
    Aber ich bin abgewichen. Ich wollte ja die Anzeige für mich formulieren, auch um herauszufinden, was ich suche.
    Also zurück zu blond und blauäugig und keinen Pony. Ich habe Humor, denke ich. Das denken wir allerdings alle von uns. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der dachte, er hätte keinen Humor. Aber ich habe ihn wirklich, finde ich. Ich kann kochen, aber ich koche nicht sooo besonders gerne, doch ich weiß gutes Essen zu schätzen. Ich bin eine Romantikerin. Vielleicht mit einem Hang zur schwarzen Romantik. Aber das muss ja nichts Schlechtes sein, oder. Ich hasse Schreien und Streit. Ich liebe Frieden und Harmonie. Okay, ich bin harmoniesüchtig.
    Ich merke: So eine Anzeige ist ganz schwierig zu verfassen. Und ehe man sich versieht, ist man bei sechzig oder auch sechshundert Wörtern. Das hat das Komitee richtig gut gemacht. Die haben super Anzeigen geschrieben. Kurz, prägnant und gut. Und es hat ja auch das perfekte Ergebnis gebracht. Jens Neumann. Der Mann, der perfekt zu mir passt.
    Zu mir passen könnte. Wenn da nicht.
    Weil – weil – ich glaube, es ist die Treppenhausnacht.
    Es ist diese verdammte Treppenhausnacht. Und ich frage mich wieder mal, wie schon so oft, was in dieser Nacht eigentlich passiert ist. Denn einerseits ist ja überhaupt nichts passiert. Da war ja kein Sex oder so, nicht mal ein Kuss, nicht das kleinste Knuddelmuddel. Oder in sechs Worten: Essen beim Chinesen. Sitzen im Treppenhaus.
    Aber irgendwas muss passiert sein, denn sonst würde ich jetzt einfach mit Jens glücklich sein, statt mein Herz an einen Mann zu hängen, der weit weg, unerreichbar und verheiratet ist. Davon, dass er sich nie wieder bei mir gemeldet hat, mal ganz zu schweigen.
    Während Jens ein zuverlässiger Mann ist, einer, der sich meldet. Einer, der selbst, wenn er auf dem Weg zu dem Weingut von der Tochter von der Freundin der Nachbarin in Nordportugal unterwegs ist, um zu sehen, ob er da nicht Wein für seinen Laden importieren kann, sich von der Raststätte von Mealhada meldet und sagt: Überleg es dir doch noch mal, Elke, im Grunde passen wir doch total gut zusammen, findest du nicht. Und ich finde das auch. Aber trotzdem. Da ist diese verdammte Treppenhausnacht.
    Was also ist in dieser Treppenhausnacht passiert-nicht-passiert?
    Das ist die Frage.
    Und hier kommt der Versuch einer Antwort.
    Wie der Abend anfing, ist bekannt. Vasco und Claudio sind vorbeigekommen, weil ich mit meinem kaputten Knie in

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