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Knuddelmuddel

Knuddelmuddel

Titel: Knuddelmuddel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
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ein, die sich danach erkundigt, wie es mir und meinem Knie geht. Oder eins der Kinder, die mit dem Handy spielen, aus Jux und Tollerei auf die Knöpfchen mit den Zahlen und Buchstaben drücken oder die Kontakte anrufen, um mal zu hören, wie die Stimmen hinter den Namen klingen, wie zum Beispiel jemand klingt, der den fremdländischen Namen Elke trägt, ist Elke ein Mann oder eine Frau? Oder es könnte ein Taschendieb sein, der das Handy in seiner Beute gefunden hat, ein Beiprodukt seiner täglichen Ausbeute aus seinem Tageswerk in der Linie 28 oder auf der Rua Augusta in der Baixa, und der jetzt die Nummern durchklingelt und guckt, ob er nicht auf irgendeine Art und Weise noch mehr Beute machen kann.
    „Ja, hallo“, sage ich vorsichtig.
    „Elke?“, sagt die Stimme.
    „Ja?“, sage ich.
    „Hier ist Claudio.“
    Er ist es also wirklich. Das ist der Anruf, auf den ich wie eine Wahnsinnige gewartet habe. Etwas, das man nicht machen soll. Das man nie machen sollte. Etwas, das weder gesund noch gut ist. Warten ist nicht gut, habe ich erst neulich wieder in einer meiner vielen Zeitschriften gelesen. Entweder man will etwas oder man will es nicht. Wenn man es nicht will, braucht man nichts zu machen. Das ist ja ganz offensichtlich. Aber wenn man etwas will, dann muss man etwas tun. TUN , im Sinne von AKTIV werden. Nicht einfach warten, warten und warten, bis man völlig durch den Wind ist.
    „Elke?“, sagt Claudio.
    „Hallo Claudio“, sage ich.
    Wieviele Gedanken man gleichzeitig denken kann, ist ja auch unglaublich, habe ich garnicht gewußt. Mir schießt alles gleichzeitig durch den Kopf. Das Essen beim Chinesen. Die Treppenhausnacht. Die chinesische Tuschezeichnung auf dem Fächer, den mir der Kellner an dem Abend im Restaurant geschenkt hat. Der versprochene Ausflug nach Madrid in die Oper. Mein Shopping-Ausflug auf Krücken in das Amoreiras. Das noch nie getragene Outfit, das seitdem bei mir im Schlafzimmer hängt. Die neuen schwarzen Schuhe, die vor dem Schrank stehen. Der Walzer der Amelie. Der Walzer der Amelie in der Orchesterversion. Und dass Zeit in der Tat relativ ist. Denn ich warte seit vier Wochen auf diesen Anruf, das sind gerade mal vier mal sieben Tage, aber es hat sich angefühlt wie eine halbe Ewigkeit.
    „Hallo?“, sagt Claudio. „Elke, bist du da?“
    „Ja“, sage ich, „ich bin hier.“
    Ein Satz, der am Handy eigentlich garnichts bedeutet. Was soll denn das für ein hier sein. Das Hier kann überall sein. Nicht bei meinem simplen Handy, das funktioniert im Ausland nicht, da bedeutet das Hier irgendwo in Portugal, in Sines oder Sagres, in Porto oder Portalegre, in der Serra de Estrela oder einfach hier zu Hause, denn das ist ein reines Portugalinlandstelefon, aber wenn ich eins von diesen neuen i-Phones oder Androids oder ähnliches hätte, dann könnte ich jetzt irgendwo sein. In Peking oder am Baikalsee, in der afrikanischen Steppe oder in der Kasbah von Tunis. Oder? Ist doch so mit den neuen i-Phones, die funktionieren doch überall. Mit anderen Worten: hier ist immer da. Da im Sinne von wo man sich befindet. Und ist damit als Ortsbestimmung genauso relativ wie die Zeit. Oder kann man das so nicht vergleichen und das ist irgendwie anders bei Zeit als bei Raum?
    „Und was meinst du?“, sagt Claudio.
    Was meine ich wozu? Abgelenkt von meinen eigenen Gedanken. Ich fasse es nicht. Ich habe nicht mal gehört, was er gesagt hat. Erst warte ich Wochen auf seinen Anruf und dann höre ich vor Aufregung nicht zu. So geht das nicht. Der Mann meiner Träume ruft an und meine Gedanken spielen mir einen Streich und lassen mich nicht hören, was er sagt. Ich muss mich zusammenreißen.
    „Tur mir leid, die Verbindung war so schlecht, kannst du es noch mal wiederholen“, sage ich. Neues Zeitalter, gleiche alte Ausrede.
    „Ich habe gefragt, ob du Lust hast, am nächsten Freitag mit mir essen zu gehen“, sagt Claudio. „Ich bin für ein paar Tage in Lissabon.“
    JA .
    Endlich! Natürlich. Was ist denn das für eine Frage? Ist das eine Fangfrage, oder was. Natürlich habe ich Lust, mit Claudio essen zu gehen. Am Freitag? Da arbeite ich eigentlich, aber ich kann Ricky fragen, ob ich frei kriege, das macht Ricky bestimmt, einen Freitagabend können die sich in der Blues Bar auch ohne mich durchschlagen. Denke ich doch. Claudio und ich werden nächsten Freitag zusammen essen gehen ... wow .... endlich werde ich ihn wieder sehen! Nächsten Freitag! Nächsten Freitag? Oh Mann, nächsten Freitag ist

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