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Knuddelmuddel

Knuddelmuddel

Titel: Knuddelmuddel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
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ein Tag.
    In der Wohnung sind wir plötzlich beide ganz verlegen. Wir sind nah, aber wir berühren uns noch nicht. Ich sage, äh, willst du noch was trinken, und Jens sagt, nein, danke, eigentlich hatte ich genug. Ich sage, einen Kaffee vielleicht, und Jens sagt, nein, dann werde ich ja wieder wach und wir wollen doch jetzt schlafen, oder?
    Oder?
    Wir stehen beide im Wohnzimmer. Jens sieht auf das Klavier. Du hast es gut, sagt Jens, du hast etwas im Leben, was du wirklich gerne tust. Das hat in meinem Leben immer gefehlt. Das kann ich verstehen, sage ich, bei dem Job in der Spedition, aber was ist mit den Weinen? Ist das nicht deine Leidenschaft? Nicht wirklich, sagt Jens, ich mache es gerne, es macht mir Spaß, ich reise gerne nach Portugal und sehe mir die Weingüter an, probiere die Weine, fachsimpele ein bisschen, aber Passion – nein, meine Leidenschaft ist es nicht. Aber du mit deinem Blues – das hat was.
    Ich habe das mit der Musik auch jetzt erst entdeckt, sage ich. Im Grunde erst vor ein paar Wochen. Im Grunde erst dadurch, dass der João mir das Klavier weggenommen hat. Da habe ich gemerkt, wie sehr mir das Klavierspielen fehlt.
    „Da sieht man – so hat wirklich alles sein Gutes“, sagt Jens.
    Wir stehen sehr dicht voreinander. Ich kann die Wärme seines Körpers spüren. Ich kann sein Rasierwasser riechen, dabei ist es Stunden her, dass er sich rasiert hat. Ich atme tief ein. Wir stehen beide weiter dicht voreinander. Jetzt müsste sich einer trauen, aber keiner traut sich. Im Film sieht es immer ganz einfach aus. Plötzlich bewegen sie ihre Köpfe aufeinander zu und dann berühren sich die Lippen zu einem Kuss.
    „Elke“, sagt Jens. „Darf ich dich küssen?“
    „Ja“, sage ich.
    Und dann endlich.
    Endlich beugt er sich zu mir und seine Lippen berühren meine und er gibt mir den Kuss, an den ich schon den ganzen Abend denke, den Kuss, der alles zeigen wird.

XIV
    Es gibt da dieses – na, ein Spiel ist es nicht, sagen wir ein Wortspiel oder eher ein Spielen mit Wörtern, eine Herausforderung vom Smith Magazine: dein Leben in sechs Worten. Die berühmten six-words memoirs. Jetzt gibt es sogar ein Buch mit diesen kurz, kürzer, am kürzesten Memoiren. Und einen Kalender, mit einem sechs-Wörter-Satz für jeden Tag und Platz für einen eigenen Satz. Und was würde ich schreiben? Wie wäre mein Leben in sechs Wörtern?
    Fünfzig und noch immer auf der Suche.
    Das sind allerdings sieben Wörter. Muss ich noch ein bisschen dran feilen. Was ist mit: noch immer auf der Suche? Nein, auch nicht, das sind nur fünf Wörter. Mmhh, tricky, diese sechs-Wörter-Geschichte.
    Noch mal von vorne.
    Fünfzig. Noch immer auf der Suche.
    Yep. Das ist es. Das bin ich.
    Elke Schmidt, seit fast einem halben Jahr fünfzig und in einem guten halben Jahr einundfünfzig und immer noch auf der Suche. Vielleicht sollte ich einsehen, dass ich nie finden werde. Vielleicht bin ich über den Finde-Punkt hinaus. Vielleicht ist das mein Schicksal, ist es das, was die Spinnenfäden der Galaxie für mich zusammengewoben haben. Eine moderne Variante von was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Ein, was die kleine Elke nicht geschafft hat, schafft die große nimmermehr. Aber mal angenommen, da sind doch noch Spinnenfäden zu weben, und das Universum läßt sich noch gestalten, und ich kann noch finden, was suche ich eigentlich? Und vielleicht muss ich, um zu wissen, was ich finden will, wissen, was ich suche, und um zu wissen, was ich suche, wissen, wer ich bin. Wie würde eine Anzeige aussehen, die ich aufgebe? Die Anzeige, die genau das Richtige ausstrahlt und so das richtige Ergebnis bringt?
    Vielleicht so:
    Frau in mittleren Jahren (bei einem Mann würde es heißen, in den besten Jahren, aber bei einer Frau heißt es komischerweise nicht so, da sind es die mittleren Jahre, wenn man mit fünfzig nicht womöglich sogar schon älter ist und somit eine Frau in älteren Jahren, arrghhh...). Blond und blauäugig. Also blond als Haarfarbe, nicht als IQ und blauäugig als Augenfarbe und nicht als Erfahrungs-Quotient. Die blonden Haare kinnlang, ohne Pony. Akademikerin, denn ich habe mein Studium abgeschlossen. Und obwohl ich an der Uni in Hamburg mehrere Semester das beliebte Seminar außerschulische Berufsfelder für Germanisten besucht habe, ist mir nicht Originelleres als ein Job im Buchladen eingefallen. Dann hier in Lissabon ein paar Jahre Erfahrung als Angestellte im Reisebüro. Derzeitige Beschäftigung Pianistin in einer

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