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Knuddelmuddel

Knuddelmuddel

Titel: Knuddelmuddel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
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meiner Wohnung saß und sie dachten, dass ich durch das Fernsehen mehr Unterhaltung bekomme. Stimmt. Die Kartenlegerinnen von Cosmo-Canal unterhalten mich in der Tat sehr gut. Und die Sonntagabendfilme. Und ich sehe endlich mal wieder deutsche Nachrichten, was vielleicht nicht immer Spaß macht, aber sinnvoll ist, damit ich hier nicht völlig aus der Welt falle. Am gleichen Abend hat mir Evelina ihr Klavier geliehen. Was super war, weil ich da erst gemerkt habe, wie sehr mir das Klavier gefehlt hat. Da sieht man wieder, dass Klavierspielen für mich wichtig und schön ist, aber dass es nicht das ist, wofür ich brenne, denn sonst hätte ich doch schon längst vorher für ein Klavier gesorgt, hätte Toms Angebot, mir eins zu kaufen angenommen, oder einen Kredit aufgenommen oder das Geld von Tom geliehen oder meine Mutter gefragt oder ein Klavier geleast oder was weiß ich. Jemand, der wirklich für Musik und Klavier spielen brennt, würde doch nie Monate ohne Klavier leben, nicht wahr.
    Dann sind alle nach und nach gegangen und plötzlich waren nur noch Claudio und ich in der Wohnung. Und wir hatten Hunger. Da bot es sich an, irgendwo was essen zu gehen. Und es war ja auch gut, dass ich mal wieder rauskam, nachdem ich ewig und drei Tage mit meinem kaputten Knie in der Wohnung gesessen hatte. Und sollten wir da jetzt aus dem Stand was kochen, mit irgendwelchen Vorräten aus dem Kühlschrank, ein paar Dosen und meinen mittelmäßigen Kochkenntnissen? Nein, das mit dem Essen gehen war schon eine gute Idee.
    Es war ja kein Date.
    Natürlich war es kein Date. Es war ja weder als Date geplant noch inszeniert. Und Claudio war verheiratet. Ist es ja immer noch. Oder um es mit den berühmten sechs Worten zu formulieren: Wir hatten Hunger, wir wollten essen. So fing die Treppenhausnacht an.
    Beim Essen haben wir uns super unterhalten. Es gibt ja diese Essen, wo man mit jemanden an einem Tisch sitzt und hofft, das Essen ist bald vorbei. Man sucht mühsam nach Gesprächsthemen. Man quält sich durch Belanglosigkeiten. Wie geht es deiner Mutter? Gut. Und deinen Eltern? Auch gut. Wie war dein Urlaub? Schön, ich war in Spanien. Und deiner? Auch schön, ich war in Griechenland.
    Und es gibt diese Gespräche, wo es einfach fließt.
    Man fragt, redet, lacht.
    Man erzählt und der andere hört wirklich zu. Der andere erzählt, und man selber hört auch wirklich zu. Weil man spannend findet, was der andere erzählt und wie er die Welt sieht. Man findet sich in den Geschichten des anderen wieder und gleichzeitig eröffnen sie einem neue Perspektiven.
    So weit. So gut. Alles normal.
    (Interessant – diese sechs Wort Sache. Mmhh.).
    Aber dann.
    Claudio hat mich nach Hause gebracht. Ich bin ja zu diesem Zeitpunkt noch an Krücken gegangen. Wir haben eine Weile vor der Haustür gestanden und den Abschied in die Länge gezogen. Und da war dann dieser Moment, wo ... ja, wo ich ihn hätte fragen können, ob er mit hochkommen möchte. In meine Wohnung. Aber dann auch wieder konnte ich es nicht fragen, weil er ja verheiratet war. Und weil ich nicht wusste, was er ... und überhaupt. Und dann dachte ich, muss nicht eigentlich der Mann den ersten Schritt machen? Oder ist das heute nicht mehr so? Und mir wurde klar, ich weiß eigentlich garnicht mehr, wie so was geht. Wenn ich es denn je gewusst habe. Im Film sieht es so einfach aus. Aber im nicht-fiktiven Leben ist es verdammt schwierig.
    Ich habe die Haustür geöffnet und Claudio ist wie selbstverständlich mit in das Treppenhaus gekommen und hat mir geholfen, die Treppen zu steigen. Ich ging ja wie gesagt noch an Krücken, und mit einem kaputten Knie sind Treppen eine echte Herausforderung, das ahnt man ja garnicht, solange die Kniee gesund sind. Und der zweite Stock ist ganz schön hoch, das sind ziemlich viele Stufen. Oben vor meiner Wohnungstür haben wir wieder versucht, uns zu verabschieden. Und wieder zog es sich in die Länge. Und plötzlich redeten wir wieder, leise, es war ja im Treppenhaus und es war spät und wir wollten die anderen nicht aufwecken. Deswegen haben wir auch das Licht nicht wieder angemacht, als es ausging.
    Wir haben uns auf die Stufen gesetzt. Wir saßen nebeneinander. Ich konnte die Wärme seines Körpers spüren, obwohl wir uns nicht berührt haben. Es hatte etwas Unwirkliches. Das stille Treppenhaus. Wir zwei die einzigen Menschen auf der Welt. Die einzigen wachen Menschen in einer schlafenden Welt. Das Treppenhaus im Halbdunkel. Der Geruch von Holz und

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