Kobra
Auftrag des Innenministers und der Peugeot vor meinem Haus – ist mir bekannt.
„Ich danke Ihnen sehr für Ihre Umsicht, Herr Legrand“, schließe ich diesen Teil des Gespräches ab. „Und jetzt habe ich noch eine Bitte.“
„Bitte sehr, Dr. Bouché.“
„Sie müssen mir alles aushändigen, was in irgendeinem Zusammenhang mit Raphael Delacroix steht.“
„Ja, ist er denn tot?“ Jean Legrand staunt. „Die Leute von der schnellen medizinischen Hilfe haben gesagt, dass er ...“
„Das ist so Vorschrift.“
Sie brauchen noch nicht zu wissen, dass Herr Delacroix tot ist. Das erfahren sie früh genug.
Jean Legrand beginnt zu suchen. Er schaut aufs Schlüsselbrett, blättert lange und eifrig in seinem Computer.
„Sehen Sie nach, ob Sie eine Quittung finden“, sage ich ihm vor. „Es muss doch im Computer zu finden sein, wann er gestern gekommen ist? In welcher Währung hat er bezahlt, hat er eingewechselt?“
„Die Seite ist verschlüsselt und nur die Rezeptionistin von der Frühschicht hat den Schlüssel dafür, aber am Morgen bekommen wir ihn. Ich kümmere mich darum, Dr. Bouché.“
„Gut“, sage ich, „die sehen wir uns morgen an. Wann ist Herr Delacroix im Hotel angekommen?“
Jean Legrands knochiger Finger fährt eine Spalte auf dem Computer entlang und hält an. „Gestern gegen ein Uhr mittags.“
„Ist das sicher?“
„Ganz sicher, Dr. Bouché. Hier steht ein Vermerk, dass sein Zimmer reserviert war.“
„Reserviert? Wie?“
„Na, per Fax. Warten Sie, mal sehen, wo es ist.“
Legrand kramt in irgendwelchen Umschlägen, dann zuckt er hilflos mit den Schultern.
„Ich weiß es nicht. Wenn die Kollegin von der Buchhaltung morgen kommt, müssen Sie sie fragen. Sie verwahrt sie, hoffentlich hat sie es nicht weggeworfen.“
Ich notiere mir im Geist: Buchhaltung. Dieses Fax interessiert mich.
Für alle Fälle werden wir noch auf dem Computer nachforschen.
„Noch etwas, Herr Legrand. Ich möchte wissen, wer die Zimmernachbarn von Raphael Delacroix sind. Können Sie mir das sagen?“
Das klingt für Legrand fast wie eine Beleidigung. Wie sollte er nicht? Er schaut in seinen Computer, auf dem er eine Seite aufschlägt mit bunten Kästchen – den Zimmern – und beginnt mir zu erklären: „Das hier ist der große Korridor in der dritten Etage, sehen Sie? Von ihm zweigt ein kleiner Gang zum Nordflügel ab.“
Ich verstehe. Nummer 330 liegt in einem Seitenflügel, der, wer weiß warum, der „nördliche“ genannt wird, während er in Wahrheit auf den Eiffelturm blickt. An diesem kleinen Gang liegen sieben Zimmer, 324 bis einschließlich 330, die vier geraden Nummern – 324, 326, 328 und 330, Delacroix’s Zimmer – sind rechts, die ungeraden – 325, 327, 329 – links. Am Ende des Ganges ist ein Balkon, zu dem eine breite Glastür führt. Das ist übrigens der Balkon, den ich von Delacroix’s Zimmer aus gesehen habe.
Am Anfang des kleinen Ganges liegt das Office. Das ist eigentlich 323, und das Zimmer ist für die verschiedensten Zwecke eingerichtet. Darin sitzt der Nachtkellner, er kann Kaffee, Tee oder Sonstiges zubereiten und auf die Zimmer servieren, es gibt Zigaretten und so weiter. Dort hat Jean Legrand angerufen, als ihm das Schweigen von 330 verdächtig vorkam.
Diese Erläuterung kostet mich volle zehn Minuten, aber ich halte still, denn sie ist wichtig. Sieben Zimmer an einem Gang. Am einen Ende ein Office, am anderen ein Balkon.
„Wer sind die Nachbarn, wenn es möglich ist ...“, mahne ich ihn.
„Hier, sehen Sie, in 330 ist Herr Delacroix. Daneben in 328 wohnt seit vier, fünf Tagen Frau Nilsson.“
Jean Legrand schaut in seinem Computer nach und ergänzt: „Frau Astrid Nilsson aus Stockholm, schwedischer Pass. In 324 ist Dr. Poletti mit Gattin, Italiener. Er ist seit zwei Tagen in Paris. In 326 ist“ - Jean Legrand verzieht die Lippen - „ein Franzose. Das soll eigentlich nicht sein, aber ...“
Ich warte, um zu hören, was nicht sein soll.
„Dieser Trakt ist für Ausländer bestimmt“, sagt er ärgerlich, „aber das Zimmer war bestellt, dann wurde die Bestellung rückgängig gemacht, und die Kollegin hat es einen Landsmann gegeben. Er bettelte – nur für eine Nacht, kam aus der Provinz, und Sie wissen ja ...“
„Sein Name?“
„Claude Moliére. Die Kollegin wird sich was von mir anhören müssen, so geht das nicht“, schließt Legrand. „Jeder, der Lust hat ...“
Ich sage nichts, aber es geht
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