Kobra
„Jorgos!“
„Ja?“
„Sind noch Formalitäten zu erledigen?“
„Nein, Herr Delacroix, alles ist geregelt. Die Sachen Ihres ... Ihres verstorbenen Onkels sind schon beim Zoll. Frau Bellier war mir behilflich.“
Delacroix bedankt sich zeremoniös bei Maria, dann wendet er sich an mich: „Ich bin Ihnen unendlich verpflichtet, Herr Inspecteur. Es wäre mir eine Freude, Sie als meinen Gast zu begrüßen, wenn Sie einmal durch Athen kommen.“
Ich bedanke mich ebenfalls für die Freundlichkeit. Dann schlage ich ihnen vor, sie in unserem Citroën mitzunehmen, aber Delacroix zeigt auf ein wartendes Taxi – wahrscheinlich ist es für den ganzen Nachmittag gemietet. Er nickt noch einmal, und wir gehen auseinander.
Den Rest des Tages verbringe ich in der Dienststelle, mit den Telefonen beschäftigt – verflucht sollen sie sein!, und damit, die Person zu suchen, von der ich dem Minister erzählt habe. Ich finde sie erst gegen sechs Uhr, als ich schon fast verzweifeln will.
Zuvor jedoch nehme ich ein paar Mitteilungen entgegen, auf die ich gewartet habe. Mein Freund aus der Werkstatt ruft an. Im Wagen der Schultzes ist kein Versteck, um Drogen zu schmuggeln. Wenn er keins gefunden hat, gibt es wirklich keins. Das Auto ist in Ordnung, Geld wurde keins genommen, Schultze kann ruhig morgen oder wann er will in den Süden fahren.
Die zweite Mitteilung ist von Sophie und betrifft die in den Pariser Hotels ausgefüllten statistischen Vordrucke. Alles läuft, wie es soll: Man füllt sie aus ...
Nicht ganz eine Stunde danach ruft mich die forensische Radiologie an. Auch dort alles, wie es sein soll.
Es vergehen zwei weitere Stunden, in denen ich detaillierte Angaben über den Aufenthaltsort aller meiner Bekannten erhalte.
Gegen halb neun erscheint Sophie mit noch zwei von unseren Leuten, und wir brechen auf, nachdem wir vorsorglich Maßnahmen getroffen haben, um uns selbst nicht allzu ähnlich zu sehen.
Der Plan, den ich dem Minister dargelegt habe, läuft.
Er beginnt damit, dass wir uns in eine der neuen Bars in der Avenue des Champ-Élysées setzen und einen Kaffee trinken. Wir haben diesen Platz nicht zufällig gewählt. Genau zwanzig Meter vor uns, hinter den großen Fensterscheiben, befinden sich ein paar Telefonzellen.
Wir brauchen nicht lange zu warten. Schon nach zehn Minuten nähert sich ein hochgewachsener, schlanker Mann einer der Zellen. In seinem Gang ist etwas sehr Bekanntes. Er öffnet die Zelle und tritt ein, wobei er vorsorglich einen schrägen Blick in die Runde wirft.
Das ist Neumann.
Er bemerkt uns nicht. Wir sitzen in der Bar und trinken unseren Kaffee fast mit dem Rücken zu ihm, obendrein haben wir dafür gesorgt, dass wir völlig den gelangweilten Physiognomien ringsum gleichen. Ich habe noch zusätzlich eine Pfeife zwischen den Zähnen, von der sich mir der Magen umdreht, zum Teufel mit ihr!
Neumann wählt eine Nummer und spricht ganz kurz. Er legt auf, kommt heraus und verschwindet in der Menschenmenge.
Auf Paris senkt sich die Sommerdämmerung – zart, durchsichtig wie Glas. Über den Platz strömt eine bunte Menge, die die Trottoirs füllt, auf die Straße tritt und sich zwischen der Autokette hindurchwindet. Die Straßenlaternen leuchten auf, lediglich eine, die bei der Telefonzelle, will nicht und flackert nur.
Wir sitzen, schweigen und warten. Mir ist, als wüsste ich jeden weiteren Zug Neumanns und hätte ihn schon immer gewusst.
Die flackernde Lampe rafft sich endlich auf und taucht die Zelle in ihr unruhiges Marslicht.
Neumann kommt zurück. Derselbe schräge Blick, bevor er die Zelle betritt. Wieder wählt er eine Nummer, diesmal spricht er etwas länger. Er nickt. Legt den Hörer auf, kommt heraus und schlendert über den Platz. Ich lege eine Banknote auf den Tisch, und wir ziehen paarweise ab. Sophie geht mit ihrem Mitarbeiter auf der anderen Seite, wir marschieren die Avenue hinunter und folgen Neumann aus größerer Nähe. Er bemerkt uns nicht. Rasch und zielsicher schreitet er aus. Von Zeit zu Zeit verschwindet er zwischen den Menschen, aber wir behalten ihn doch im Auge. Wohin geht er?
Das erkennen wir sehr bald. Neumann biegt zum Hotel „Lafayette“ ab, steigt ein paar Stufen hinauf und stößt die Drehtür an. Wir sind ihm auf den Fersen. Ich zögere nur eine Sekunde, bevor ich hineingehe, aber diese Sekunde genügt mir, um zu sehen, dass ich die Halle nicht betreten darf.
Dort sind der junge Delacroix und sein Rechtsanwalt. Sie sitzen in
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