Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
lehnte sich gegen die Wand. Ihre Beine gaben nach, und ihr Herzschlag stockte tatsächlich.
»Ich … ich kann das nicht …«, stotterte sie.
»Eine Friseuse, die keine Haare schneiden kann?« brüllte Kochlowsky.
»Frauenhaare …«
»Haar ist Haar, wie Scheiße Scheiße ist, wenn man hineintritt! Verstanden?«
»Nein …«
»Die Spitzen, die unregelmäßigen, kürzen, weiter nichts! Man soll es nicht für möglich halten, wieviel Blödheit auf die Menschen losgelassen wird!«
Das Werk gelang tatsächlich. Das Haupthaar war im Nacken gerade, der Bart, Kochlowskys ganzer Stolz, war gestutzt, nicht ein Millimeter von einem Härchen ragte hervor. Als er sich im Spiegel betrachtete, knurrte er anerkennend, gab der Friseuse eine Mark, die sie fassungslos auf der Handfläche balancierte, und ließ sich dann noch den Gehrock abbürsten.
Willibald Hammerschlag war da rustikaler. Er empfing die Kochlowskys nicht im besten Anzug, sondern in einem bestickten Hausrock, braunen Hosen und ledernen Pantoffeln.
»Haben Sie noch etwas vor?« fragte er, als er Kochlowsky so elegant aus der Kutsche steigen sah. Sophie, in ihrem pelzbesetzten Kostüm, war von atemberaubender Schönheit. Das Kostüm paßte gerade noch und überdeckte ihre Schwangerschaft.
»Wieso?« fragte Kochlowsky.
»So feierlich …«
»Ich wollte Ihrer Mutter die Ehre geben, die ihr gebührt …«
Hammerschlag war gerührt und betroffen zugleich. Er führte Sophie ins Haus, überlegte dabei, ob er sich schnell umziehen sollte, aber dann entschied er sich, so zu bleiben, wie er war. Kochlowsky kam im Gehrock, vom messerscharfen Scheitel bis zu den Lackschuhen ein Weltmann, aber auch Hammerschlag hielt eine Überraschung bereit, die das Gleichgewicht wiederherstellen würde.
Die Wohnung in der Rentmeisterei war großräumig, geschmackvoll eingerichtet, und Kachelöfen mit wundervoll bemalten Kacheln machten sie warm und behaglich. Eine junge Magd knickste tief in der Diele, nahm Kochlowsky den Zylinder und den Stock mit der Silberkrücke ab, hängte die Pelze an einen Haken und verschwand lautlos in der Küche. Ein hübsches Frauenzimmerchen – Kochlowsky hatte einen Blick dafür. Er blinzelte Hammerschlag zu – wenn jemand im Haushalt so eine Magd beschäftigt, ist sie nicht nur zum Dielenschrubben da. Wenn man sich da an Pleß erinnert …
»Willkommen bei mir!« sagte Hammerschlag und brachte es tatsächlich fertig, Sophie mit einem Handkuß wie ein Kavalier zu empfangen. »Sehen Sie darüber hinweg, daß ich Junggeselle bin und manches in den Augen einer Frau vielleicht anders sein könnte. Aber ich hielt es für eine Schande, eine Frau an mich zu binden – ich weiß, wie ich bin! Um so mehr bewundere ich Sie, schöne Frau, daß Sie es bei diesem Granitkopf aushalten …«
»Wenn wir in diesem Ton weiterreden wollen, spucke ich auf den Boden und gehe!« knurrte Kochlowsky.
»Aber Leo …«, sagte Sophie strafend und sah ihn plötzlich mit funkelnden Augen an.
»Lassen Sie ihn!« Hammerschlag winkte ab. »Einen Augenblick lang habe ich mich auch überrumpeln lassen. Trägt einen Gehrock mit Lackschuhen! Aber dann will er auf den Boden spucken! Das beruhigt mich. Ich dachte schon mit Schrecken: Er wechselt mit der Kleidung den Charakter. – Zur Begrüßung einen Portwein?«
»Es war höllisch kalt draußen.« Kochlowsky rieb die Hände aneinander. »Ein Glühwein wäre mir lieber. Aber so was haben Sie ja nicht.«
»Irrtum!« Hammerschlag grinste breit. »Alles vorhanden! Sie können auch einen Grog haben, einen Punsch, einen Cognac … Wenn Sie gar zu sehr frieren, können Sie sich zu Mathilde legen. Die Kleine eben war Mathilde …«
»Sie Ferkel!« sagte Kochlowsky laut. »In Gegenwart meiner Frau verbitte ich mir solche Schweinereien! Schatzel, gehn wir … hier stinkt's nach Stall!«
Hammerschlag lachte, riß die Tür zur Wohnstube auf und machte eine kleine Verbeugung. »Bitte eintreten. Übrigens, Schatzel … das ist ein zutreffender Name. Sie sind ein unschätzbarer Schatz, Frau Kochlowsky.«
In der großen Wohnstube wartete bereits ein Knecht, den man in eine Art Dienerlivree gesteckt hatte. Man sah ihm förmlich an, wie unglücklich er sich darin fühlte. Es war Hammerschlags erste Überraschung. Der Zwangsdiener schien auf Anordnung gelauscht zu haben: Auf einem silbernen Tablett hielt er bereits drei Gläser bereit: eins mit Portwein, eins mit Cognac und eins mit dampfendem, duftendem Glühwein.
Kochlowsky griff wortlos zu.
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