Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
zubereitet.
Aber es kam kein Fisch. Was Mathilde auf einem Tablett hereintrug, duftete schon an der Tür so köstlich, daß Kochlowsky zusammenzuckte.
»Was ist denn das?« rief er aus, als das Tablett vor ihm stand. »Das ist doch unmöglich …«
»Ja, da staunen Sie! Ihnen zu Ehren! Eine echte Zwazig Zarschwinga …«
»Zrazy zawijane … nicht mal aussprechen können Sie das! Himmel, wenn das auch so schmeckt, wie Sie's nennen …«
Zrazy zawijane ist eine polnische Rindsroulade ganz besonderer Art. Das Rezept wird von Generation zu Generation in der Familie vererbt, und keine ehrbewußte Köchin würde jemals ihr Geheimnis, diese Roulade herzustellen, vor allem die Füllung, das Herz der Roulade, preisgeben. Hier war die Roulade auch noch mit dünnen geräucherten Speckscheiben umwickelt und mit Streifen von Sellerie garniert.
»Mit Pilzfüllung«, sagte Hammerschlag stolz. »So, wie man sie in Pleß ißt …«
»Sie beschämen mich.« Kochlowsky schnitt die Roulade an, nahm einen Biß und blickte zur Seite auf seine kleine Frau. »Hervorragend! Was sagst du dazu, Sophie?«
»Die Überraschung ist Herrn Hammerschlag gelungen …« Sie nahm eine Gabel voll und ließ den Bissen auf der Zunge liegen. »Wie bei uns …«, sagte sie dann, als sie ihn hinuntergeschluckt hatte. »Ich könnte es nicht besser machen, Leo.«
»Nicht zuviel Höflichkeit, Schatzel! Bei dir schmecken die Rouladen ganz anders! Pikanter! Saftiger!« Er sah zu Hammerschlag hinüber, der impertinent grinste. »Wer hat Ihnen denn dieses Essen zubereitet?«
»Eine Köchin, die sich auskennt. Herzogswalde liegt ja nicht in der Wildnis.«
»Immerhin, man kann es essen.« Kochlowsky verzehrte drei Rouladen, trank eine Flasche Wein fast allein und war sprachlos, als zum Nachtisch ein Safran-Napfkuchen serviert wurde. Daran war nun wirklich nichts auszusetzen, aber die gleichzeitig gereichte Zigarre gab Kochlowsky Anlaß, doch etwas zu sagen:
»Ihrem Tabakhändler sollten Sie in den Hintern treten, Hammerschlag. Das ist gerolltes Heu! Damit fabriziert man Lungenkranke.«
Aber er rauchte dennoch zwei Zigarren, trank noch einen großen Cognac hinterher und war dann so in Stimmung geraten, daß er von seiner Zeit in Pleß erzählte und Hammerschlag öfter mit ›mein lieber Freund‹ anredete.
In der Nacht erst ließ Hammerschlag das Ehepaar Kochlowsky nach Hause bringen, in einer mit heißen Steinen geheizten Kutsche der Rentmeisterei. Während Kochlowsky schon mit schwerem Kopf im Polster lehnte, umarmte draußen Hammerschlag noch einmal das kleine Frauchen.
»Er hat es nicht gemerkt«, sagte sie fröhlich.
»Und ich bin Ihnen ewig dankbar.« Hammerschlag küßte ihr die Hand. »Trotzdem habe ich gezittert, daß meine Köchin alles richtig zu Ende kocht, was Sie mir herüberschickten. Aber ich glaube, es ist gut gelungen. Mein Gott, mußte er sich verzweifelt Mühe geben, doch noch an etwas herummeckern zu können.«
»Er darf das nie erfahren, Herr Hammerschlag.«
»Ehrenwort! Das ist nun unser beider Geheimnis. Sophie, ich bewundere Sie. Wie ist Leo zu beneiden um solch eine Frau …« Auf der holprigen Rückfahrt über die vereisten Wege fragte dann Kochlowsky, ziemlich müde: »Was hältst du von Hammerschlag, Schatzel?«
»Ein kluger Mann, Leo. Ihr solltet euch anfreunden.«
»Niemals! Seine Mutter Emma soll Ähnlichkeit mit meiner Mutter Emma haben – das ist eine Frechheit! Meine Mutter war einmalig, unvergleichbar …«
Er legte den Kopf an Sophies Schulter und schlief ein. Und im Halbschlaf tappte er später auch in sein Haus.
Das zweite Kind wurde geboren, wieder ein Mädchen, und Sophie verlangte, daß es Jenny heißen sollte. »Jenny heißt die Hauptgestalt in einem Roman deines Bruders«, verteidigte sie diesen Namen. »Kennst du den denn nicht?«
»Ich lese nicht den Blödsinn, den Eugen schreibt!« knurrte Kochlowsky. »Es gibt doch noch tausend andere Namen.«
»Aber Jenny war in dem Roman ein so schönes Mädchen und hatte so viele Schicksalsschläge auszuhalten … Unser Kind heißt Jenny.«
Und dabei blieb es.
Wie bei Wandas Geburt rückte aus dem fernen Pleß wieder ein kleiner Waggon mit Freunden an. Wanda Lubkenski, verheiratete Reichert, war noch dicker geworden, ihr Mann Jakob, der Leibkutscher des Fürsten Pleß, hatte nach einem Tritt von einem Pferd ein verkürztes Bein bekommen und konnte nur noch am Stock gehen, und Ewald Wuttke, der Leibjäger, bekam Krampfadern, die er bei Märschen im
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