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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aus.
    »Das macht nichts …«, sagte Kochlowsky ruhig. Er rieb mit der schokoladeverklebten Hand Hammerschlag über das Gesicht, bis es mit braunen, klebrigen Flecken übersät war. Erst dann lockerte er den Griff an den Schlagadern und trat zurück.
    Ächzend blieb Hammerschlag auf den Knien und atmete pfeifend.
    Kochlowsky nahm eine Ecke des Tischtuchs und wischte sich daran die Hand sauber. »Wir sind allein, Hammerschlag. Keiner hat einen Zeugen. Ich kann alles leugnen. Nur sollten Sie sich eines merken: Einen Kochlowsky betrügt man nicht. Wie hieß Ihre Mutter?«
    »Emma …«, röchelte Hammerschlag. »Gehen Sie ins Schlafzimmer … da hängt an der anderen Wand eine Heiratsurkunde.«
    Kochlowsky starrte den knienden, schokoladeverschmierten Hammerschlag betroffen an, rannte in das Schlafzimmer, sah die eingerahmte Urkunde und las, daß die ehrbare Emma Schultheiß den Kaufmann Franz Hammerschlag geheiratet hatte.
    Langsam kehrte Kochlowsky in die Wohnstube zurück. Hammerschlag hing auf einem Stuhl, mit glasigen Augen, und zitterte am ganzen Körper.
    Kochlowsky blieb vor ihm stehen, knallte die Hacken zusammen und machte eine knappe Verbeugung.
    »Ich bitte um Verzeihung«, sagte er mit rauher Stimme. »Ich stehe für jede Art der Vergeltung zur Verfügung …«
    »Gehen Sie raus!« stöhnte Hammerschlag und wandte den Kopf zur Seite. »Gehen Sie. Ich möchte Sie nie wiedersehen …«
    Das war nicht nur so dahergesagt – es wurde auch so. Man soll es nicht für möglich halten, aber es ist die Wahrheit: Sechs Jahre lang sahen sie sich nicht. Nur ein Bote brachte ab und zu ein Schreiben hin und her. Aber es herrschte Ruhe in Herzogswalde.

XXVI
    Fünf Jahre sind Zeit genug, daß Welt und Menschen sich grundlegend ändern können. Was ist innerhalb von fünf Jahren, ja in viel kürzeren Zeitabständen nicht schon alles geschehen, von völkermordenden Kriegen bis zu lebenserhaltenden Entdeckungen und Erfindungen ist alles möglich. Das in der ganzen Welt, vor allem aber in Europa angebrochene Industriezeitalter katapultierte die Menschheit über ganze Entwicklungsstufen hinweg und bescherte den einen Wohlstand, den anderen Elend, und das in einem Ausmaß, wie es selbst die kühnsten Zukunftsträumer nicht vorausgesehen hatten. Die große Umschichtung vollzog sich: Die Reichen, das Bürgertum und das Proletariat kristallisierten sich heraus. Die soziale Zerklüftung ging weiter – was 1848 eine Revolution ausgelöst hatte, etablierte sich jetzt als Alltag, nur hieß es jetzt: Wer arbeitet, ist auch wer – wer nicht arbeitet, ist es selber schuld. So einfach war das! Und so grausam abstempelnd!
    In diesen fünf Jahren hatte Leo Kochlowsky die Ziegelei des Barons von Finck von Grund auf modernisiert und den Umsatz verdoppelt. In diesen fünf Jahren aber war es dem Baron noch immer nicht gelungen, länger als drei Minuten und neunzehn Sekunden – Kochlowsky hatte immer mit der Uhr in der Hand danebengestanden – auf dem Rücken von Reckhardt zu bleiben. Als er sich drei Minuten im Sattel gehalten hatte, wollte er schon »Sieg!« schreien, aber dann folgten die entnervenden und schmählichen neunzehn Sekunden.
    »Warum mag er mich nicht?« fragte von Finck nach dem letzten Versuch, Reckhardt zu reiten. »So benimmt sich doch kein normales Pferd! Nach fünf Jahren!«
    »Es ist ein kluges Pferd, Herr Baron«, erwiderte Kochlowsky.
    »Wie soll ich das verstehen?«
    »Es vergißt nicht, was ich ihm gesagt habe: ›Wenn du einen anderen auf dir reiten läßt, kommst du zum Abdecker, und man macht Seife aus dir …‹ Das hat er sich zu Herzen genommen. Er versteht mich.«
    »Das haben Sie gesagt, Kochlowsky?«
    »Wort für Wort.«
    »Das ist ja unerhört! Sie sabotieren seit Jahren einen meiner größten Wünsche?«
    »So kann man das nicht nennen. Reckhardt ist neben meiner Frau und meinen Kindern der einzige, der mich niemals verraten, niemals verlassen würde. Er ist ein Teil meiner eigenen, winzigen Welt. Wenn er jemand anderem gehorchte, bräche ein Teil aus dieser Welt heraus. Verstehen Sie das, Herr Baron?«
    »Nein. Ein Pferd ist eine Kreatur, ein Tier … Wollen Sie es vermenschlichen?«
    »Ist manches Tier nicht hundertmal anständiger als ein Mensch, anhänglicher, treuer, frei von Hinterlist, Tücke, Neid und Mißgunst? Wenn ich sehe, wie manche ihren Hund behandeln, ihm das Fressen hinwerfen, ihn mit Füßen treten … ich würde sie, wenn ich könnte, ebenso behandeln!«
    »Fast tun Sie's ja«, sagte

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