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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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starrte weiter vor sich hin. »Ich bin viel zu schlapp, um Ihnen jetzt in den Hintern zu treten«, sagte er müde. »Nutzen Sie das ruhig aus, Doktor – es passiert so schnell nicht wieder.«
    »Haben Sie die Charakterstärke, Ihr kleines Frauchen nicht mehr zu berühren?«
    »Das geht Sie einen Dreck an, Sie widerlicher Bettschnüffler!«
    »Wenn Sie unbedingt eine Frau brauchen, dann fahren Sie ab und zu nach Dresden. Es gibt dort genug Etablissements, wo man Ihnen jeden Wunsch erfüllt.«
    »Sie Sau!« knurrte Kochlowsky tonlos. »Ein alter Pissekocher empfiehlt mir eine Hure! O Himmel, warum werfe ich Ihnen nicht das Bierglas an den Kopf?«
    »Weil ich recht habe. Weil Sie genau wissen, daß Ihnen ab und zu eine Bremse fehlt. Im Umgang mit Menschen – und ich vermute, auch im Bett! Bleiben Sie sitzen, Kochlowsky. Ich weiß, Sie nennen es Zärtlichkeit … aber Ihre Zärtlichkeit ist zerstörend. Sehen Sie sich Ihre kleine Frau an! Dieses Häufchen Elend … aber Sie haben endlich einen Jungen! Wenn Sie ein Kerl wären, gingen Sie jetzt draußen an den Hauklotz und schlügen sich was ab …«
    »Das könnte Ihnen so passen, Doktor. Was wollen Sie überhaupt noch hier? Helfen können Sie nicht mehr, beten kann ich allein, an dummen Sprüchen habe ich mehr als Sie auf Lager. Sie werden nicht mehr gebraucht, Sie Zäpfchendrücker.«
    »Wieviel uneheliche Kinder haben Sie eigentlich in Pleß hinterlassen?«
    »Meines Wissens kein einziges. Es hat sich keine Mutter gemeldet.«
    »Wie haben Sie das denn hingezaubert?«
    »Die Kunst des Liebens.« Kochlowsky richtete sich auf. »Wenn Sie jetzt nicht gehen, Doktor … ich garantiere: Sie fliegen!«
    So wurde Leo geboren, und Wanda hatte seitdem die undankbare Aufgabe, sich als Älteste um den Säugling kümmern zu müssen, ihn in den Garten zu rollen, mit ihm zu spielen und auch noch Jenny zu beaufsichtigen, die mit ihren drei Jahren stets den Ehrgeiz hatte, aus Wandas Nähe zu entweichen. Meistens saß Jenny dann in einer Ecke des Gartens, spielte mit ihren Puppen, zog sie aus, zog sie an, gruppierte sie wie in einer Schule und hielt ihnen Vorträge, was sie alles nicht tun dürften. Dann war sie gut aufgehoben, und Wanda, die selten mit Puppen gespielt hatte, sondern lieber mit den Nachbarjungen Rattenfallen aufgestellt hatte, berichtete dann ihrer Mutter:
    »Die Doofe badet wieder ihre Puppen!«
    »Du sollst so etwas nicht sagen!« Sophie sah ihre älteste Tochter strafend an. Wie der Vater, dachte sie manchmal mit Erschrecken. Die gleichen Augen, der gleiche Blick, die gleichen verkniffenen Lippen, ja sogar die Kopfhaltung stimmt überein, dieser versteifte, gerade Nacken. Sie ist eine echte Kochlowsky … von der Familie Rinne aus Bückeburg hat sie rein gar nichts. Jenny dagegen ist ein verträumtes Kind, still und duldsam, aber nachtragend und dann unansprechbar – und wie Leo wird, das weiß man nicht. Eines aber läßt sich jetzt schon sagen: Er ist ganz anders. Er ist ein Rinne: rundgesichtig, mit blonden Haaren, immer freundlich, die Nacht durchschlafend, nie ungeduldig – nur als Wanda ihm einmal ins Gesicht spuckte, weil er sich in seinem Korbwagen immer wieder bloßstrampelte, brüllte er eine ganze Stunde lang.
    Es war auch das erstemal in ihrem siebenjährigen Leben, daß Wanda von ihrem Vater übers Knie gelegt wurde und die Schläge auf ihren nackten Hintern klatschten. Er haut mich, dachte sie, er liebt mich nicht mehr. Jetzt bin ich nicht mehr ›sein Junge‹, jetzt hat er einen richtigen. Jetzt bin ich auch nur ein Mädchen. Und sie begann ihren kleinen Bruder Leo zu hassen.
    Kurz vor Weihnachten holte Kochlowsky wieder seine Gans bei Förster Ursprung ab. Auch hier hatte sich vieles verändert. Aus dem heruntergekommenen Forsthaus war ein Musterbetrieb geworden, aber Ursprung verstand die Welt nicht mehr. Immer, wenn Kochlowsky ihn besuchte, schüttelte er den Kopf und führte ihn zu seinen Neuerwerbungen.
    »Ist das zu begreifen?« fragte er. »Hammerschlag genehmigt alles! Kaum habe ich einen Wunsch geäußert, kommt die Anweisung, es zu kaufen. Der Mann muß schwer krank sein. So kann man sich nicht wandeln … Im nächsten Jahr bekomme ich eine Dampfsäge, ein richtiges Sägegatter. Mein Vorschlag, das Gelände zur Errichtung eines Sägewerks zu nutzen, ist ebenfalls genehmigt worden. Ich soll sechs belgische Kaltblüter bekommen, und extra für sie eine Schmiede und eine Sattlerei. Es ist alles noch wie ein Traum. Seitdem Sie hier sind, Leo

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