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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einer dicken Matratze und einer Bank für die Begleitung. Vorsichtig hob man Kochlowsky in den Wagen und auf die Matratze. Man deckte ihn zu und fuhr langsam, um Erschütterungen möglichst zu vermeiden, über die Landstraße und durch den Tharandter Wald zum Krankenhaus. Es war eine entsetzlich lange Fahrt, während der Kochlowsky ein paarmal dumpf aufstöhnte, sich bewegte, ohne das Bewußtsein zu erlangen.
    Dr. Kreutzer kontrollierte immer wieder den Puls, horchte das Herz ab, beobachtete die Atmung und sah hinüber zu Sophie. Sie saß auf der Bank, die Hände gefaltet, und betete die meiste Zeit; wenn sie kurze Pausen einlegte, beugte sie sich über Leo, streichelte seinen verbundenen Kopf oder feuchtete ihre Fingerkuppe mit Spucke an und benetzte damit seine Lippen.
    In einem zweiten Wagen, die eingewickelte kleine Sophie neben sich in einem Korb, fuhr ihnen Hammerschlag hinterher. Das Neueste wußte noch niemand: Als man Reckhardt zum Stall des Barons abholen wollte, hatte er sich losgerissen und war davongaloppiert. Zwei Stallknechte hatte er umgerannt und war dann in den nahen Wäldern verschwunden. Jetzt wurde er wie ein wildes Tier gejagt.
    »Woran denken Sie, Herr Doktor?« fragte Sophie irgendwann auf der langen Fahrt.
    »Was aus ihm wird, wenn er es überlebt.« Dr. Kreutzer sagte es, ohne zu zögern; er war einer der jungen Ärzte, die nichts – wie meist üblich – verheimlichten. »Er wird auch später darunter zu leiden haben.«
    »Sie glauben, er wird nie wieder ganz gesund?«
    »Man muß mit Spät- und Dauerschäden rechnen.« Dr. Kreutzer legte die Hand auf Sophies Arm. »Noch sind Hirn und Herz Heiligtümer der Medizin. Aber das wird sich bald ändern. Da hat ein gewisser Röntgen vor zwei Jahren geheimnisvolle Strahlen entdeckt, mit denen man in den Körper hineinsehen kann.«
    »Das ist doch ein Märchen, Herr Doktor.«
    »Aber nein. Auf einer Art Milchglasbild kann man die Knochen sehen, alle festen Teile im Körper, die Lunge, das Herz. Ich kann Ihnen das auch nicht erklären, ich habe nur davon gelesen, aber in ein paar Jahren wird der menschliche Körper für die Medizin durchsichtig sein wie Glas. Wir werden eine Explosion des ärztlichen Wissens erleben, eine Revolution der Therapie und der Diagnostik. Stellen Sie sich vor: Wir könnten Ihren Mann unter diese sogenannten X-Strahlen legen und sähen, wie die Schädeldecke gebrochen ist, ob sich ein Hämatom gebildet hat, ob Splitter ins Gehirn gedrungen sind … und wir könnten gezielt helfen.«
    »Das wird einmal eine ganz neue Welt«, sagte Sophie leise und beugte sich wieder über ihren Mann. »Aber für Leo zu spät …«
    Im Krankenhaus war natürlich kein Bett frei, aber man fand schließlich einen Platz in einer Wäschekammer, in die man ein Bett schob, ein fensterloser, muffiger Raum.
    »Das macht nichts«, sagte der Oberarzt. Wie fast alle Klinikärzte war auch er ein Zyniker. »Er muß bei seiner Kopfverletzung sowieso im Halbdunkel liegen … man kann ja die Tür etwas offenlassen.«
    Vier Tage bangte man um Kochlowskys Leben. Er bekam kalte Umschläge, herzstärkende Mittel, man machte einen Aderlaß, um den Blutdruck zu senken, und wartete darauf, daß er Fieber bekam. Dann konnte man nur noch beten.
    Aber Kochlowsky bekam kein Fieber. Am fünften Tag schlug er die Augen auf, erkannte nur fahle Dunkelheit um sich herum, und aus dem Dunkel senkte sich, wie ein Engelskopf, ein schmales, bleiches Gesicht über ihn, umrahmt von langen goldenen Locken.
    »Was … was ist denn los?« fragte er mühsam und kaum hörbar. »Ich bin so müde, so müde … Schatzel … hab' ich wieder mit Hammerschlag gesoffen …?«
    »Nein, Leo.« Sie legte ihre kühlen Hände auf seine Wangen und lächelte. »Bleib ganz ruhig liegen, beweg dich nicht …«
    »Warum ist es hier so dunkel?«
    »Es muß sein, dein Kopf …«
    »Bin ich hingefallen? So schlimm war's? Mein Gott, kann der Hammerschlag saufen!«
    Sein Gesicht verzerrte sich, es sollte ein Lächeln sein, und er fiel wieder in einen tiefen Schlaf.
    »Ich glaube, wir haben's gepackt!« sagte der Oberarzt später, als er Kochlowskys Reflexe prüfte und alle anderen Messungen beendet hatte. »Jetzt muß ihm seine Roßnatur auf die Beine helfen … und wir müssen Geduld haben.«
    Am zehnten Tag durfte Kochlowsky aufstehen und zweimal vor seinem Bett auf und ab schlurfen. Danach saß er erschöpft und schweißbedeckt auf der Bettkante, hielt Sophies Hände umklammert und fragte zum

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