Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
Ihnen sage, daß ich selbst bis ins Innerste betroffen war, als Sophie mir das mitgeteilt hat? Ich habe mich geschämt … aber das macht es nicht ungeschehen. Nun müssen wir es eben durchstehen.«
»Sie nicht, Ihre arme kleine Frau! Sie werden wieder jedem im Weg sitzen und herumjammern und ›Mein armes Schatzel‹ greinen! Und wenn dann nichts mehr zu machen ist, werden Sie sogar beten … da wette ich drum! Der arme Witwer mit vier Kindern! Seht, wie er zerbrochen ist! Nein, man sollte Sie an den Pranger ketten, und jeder müßte Sie im Vorbeigehen anspucken oder Ihnen eine runterhauen.«
»Sind Sie fertig?« fragte Kochlowsky mit zusammengekniffenen Augen.
Dr. Kreutzer räusperte sich wieder. Sein Kollege war vor Erregung außer Atem geraten. »Wir sollten uns in dieser Situation wirklich über einen künstlichen Abortus unterhalten.«
»Glauben Sie im Ernst, daß meine Sophie das mitmachen würde?«
»Wenn es um ihr Leben geht …«
»Sie ist eine Heldin! Ja, das ist sie, eine viel größere Heldin als alle, die in den Geschichtsbüchern stehen. Acht Jahre hält sie es nun schon an meiner Seite aus …«
»Das ist wahrhaftig Heldenmut«, unterbrach ihn der alte Landarzt.
»Warum können Kinder und Greise nicht den Mund halten?« Kochlowsky sah Dr. Kreutzer herausfordernd an. »Wollen Sie es übernehmen, Doktor, meiner Frau zu sagen, daß sie auf das Kind verzichten muß? Und soll ich Ihnen jetzt schon die Antwort geben?«
»Erlauben Sie mir, Ihre Frau zu untersuchen?«
»Und wenn ich nein sage …«
»Dann bleibt uns nur noch die Antwort Ihrer Frau.«
»Sie werden erstaunt sein: Ich verweigere die Untersuchung nicht. Sie sollen selbst hören, wie sie über einen Abbruch der Schwangerschaft denkt. Ich werde ihr nicht einmal von Ihrem heutigen Besuch bei mir erzählen.«
»Und wenn sie einer Unterbrechung zustimmt?«
»Dann weiß ich, daß es richtig war. Guten Tag, meine Herren Doktores …«
Kochlowsky wartete vier Tage vergeblich auf ein Wort von Sophie. Endlich, am fünften Tag, als er sich zum Abendessen an den Tisch setzte, zu seiner Rechten Wanda, die beim Auftragen geholfen, Kartoffeln geschält und Gemüse geputzt hatte, zu seiner Linken, festgeschnallt in einem Gitterstühlchen, Leo junior, ihm gegenüber, neben ihrer Mutter, Jenny, ernst und ruhig wie immer, sagte Sophie nach dem kurzen Tischgebet, das seit vier Jahren Wanda sprach:
»Heute morgen waren die beiden Ärzte bei mir. Ein sehr netter Mann, dieser Dr. Kreutzer. Kennst du ihn schon?«
»Nein …« Kochlowsky wußte nicht, ob diese kleine Lüge noch angebracht war. Die nächsten Sätze würden das zeigen.
»Sie haben mich untersucht …«
»Unerhört! Kommen einfach vorbei und untersuchen einen …«
»Unser alter Doktor hat Angst.«
»Da hört sich ja alles auf. Läuft der alte Knacker herum und klagt jedem, daß es bei ihm nur noch tröpfelt …«
»Leo, die Kinder!«
»Die verstehen das noch nicht.«
»O doch!« Wanda richtete sich stolz auf. »Der Onkel Doktor kann nicht mehr Pipi machen …«
»Da hast du's, Leo!«
»Was heißt das? Wir sollten uns freuen, ein so intelligentes Kind zu haben.«
»Der alte Knacker hat auch noch gesagt: ›Gnädige Frau, es läßt mir keine Ruhe.‹ Dann haben sie mich hinausgeschickt und die Schlafzimmertür abgeschlossen«, rief Wanda eifrig.
»Wer?«
»Der alte Knacker …«
Wanda bekam eine mittelschwere Ohrfeige, was völlig falsch war, denn sie war schließlich eine echte Kochlowsky, aber sie heulte nicht los, sondern schwieg verbissen, mit zusammengezogenen Lippen. Jenny, die über den Tisch grinste, bekam einen flammenden Blick.
»Und was war dann?« fragte Kochlowsky und begann seine Kohlroulade aufzuschneiden.
»Dr. Kreutzer hat mich erst gründlich untersucht und mir dann Mut gemacht.«
»Was hat er?« Kochlowsky ließ das Messer auf den Tellerrand fallen.
»Er hat gesagt: ›Freuen Sie sich auf das Kind! Es ist alles in Ordnung. Und außerdem bin ich ja Tag und Nacht erreichbar.‹ Das hat mir Mut gemacht.«
»Ja, mein Gott, hattest du denn Angst, Schatzel?«
Sie nickte und sagte leise: »Ich habe eine furchtbare Angst. Ich habe sie immer gehabt, bei jedem Kind … Todesangst …«
»Und … und du hast nie mit mir darüber gesprochen?«
»Wozu, Leo? Was hättest du schon geantwortet? ›Millionen Frauen kriegen Kinder, du bist nicht allein.‹ – Ist das vielleicht ein Trost?«
»Zu uns kommt wieder der Klapperstorch!« rief Jenny und klatschte in die
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