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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Hände.
    »Papa, ist die blöd!« meinte Wanda altklug. »Man sieht doch, daß der liebe Gott es in Mamas Bauch wachsen läßt.«
    Kochlowsky saß erschüttert am Tisch, der Appetit war ihm vergangen. Sie hatte immer Angst gehabt … Todesangst … bei jedem Kind, und ich habe es nie gemerkt. Sie haben alle recht: Ich bin ein Scheusal. Ich bin diesen Engel nie wert gewesen, ich habe sie aus ihrer Geborgenheit herausgerissen, ich habe sie in die Fremde verschleppt, ich habe ihr vier Kinder aufgezwungen, und sie hat nie ein Wort gesagt – weil sie mich liebt. Wie armselig bin ich gegen sie! Wären die Kinder nicht am Tisch, ich würde auf die Knie fallen und in ihrem Schoß weinen. Mir ist kotzübel zumute …
    »Und jetzt … jetzt hast du keine Angst mehr?« fragte er tonlos.
    »Doch … bis es da ist. Wahnsinnige Angst. Aber … ich bin ja nicht allein … Millionen Frauen auf der Welt …«
    Kochlowsky schob den Stuhl zurück, verließ das Eßzimmer, ging hinüber in die Wohnstube, setzte sich in seinen Ohrensessel und legte die Zeitung auf sein Gesicht. Und unter dem Deckmantel der Zeitung rannen ihm lautlos die Tränen über die Wangen.
    Es wurde wieder ein Mädchen und auf den Namen Sophie getauft, weil es mit so viel Angst geboren worden war. Dabei war es die bisher glatteste Geburt. Dr. Kreutzer injizierte Sophie ein neues Mittel, das man in Leipzig ausprobiert hatte … Danach dämmerte sie dahin, die Muskeln verkrampften sich nicht mehr, die Preßwehen verloren ihre Schrecken, und schon nach zwei Stunden war das Kind auf der Welt. Kochlowsky kam gar nicht dazu, in Zerknirschung zu fallen.
    Willibald Hammerschlag, der bei der Geburt ebenfalls im Haus war, um seinem Freund Leo beizustehen, entkorkte eine Flasche Cognac. Und während nebenan die Hebamme Mutter und Kind versorgte und Sophie erschöpft, aber unendlich glücklich in den Kissen lag und auf das leise Weinen des nackten Menschleins lauschte, begann in der Wohnstube der lallende Rundgesang von vier erlösten Männern. Der alte Doktor war nämlich auch noch gekommen, getrieben von der Sorge, und sagte beim Erheben des ersten Glases:
    »Trinken wir auf die rätselhafte Kraft im Menschen, wenn er liebt. Und Ihnen, Kochlowsky, möchte ich das Glas ins Gesicht schütten.«
    »Das dürfen Sie sogar!« rief Kochlowsky und hielt seinen Kopf hin. »Heute bin ich bereit, den Cognac von den Dielen aufzulecken … O Himmel, was habe ich für eine Frau!«
    »Das sagt er hinterher immer!« Der alte Arzt winkte ab. »Überhört es, Freunde. Ein Prost auf Mutter und Kind.«

XXVIII
    Es war im Spätherbst 1896, genauer gesagt an einem Mittwoch, als Kochlowsky in seinem Dogcart auf der Fahrt zur Försterei einen kleinen Abschwenker machte, um bei sich zu Hause ein kühles Bier zu trinken.
    Er näherte sich dem Haus von hinten, hielt an der Gartenpforte und stieg aus. Aber schon nach fünf Schritten blieb er wie angewurzelt stehen und riß den Mund zu einem Aufschrei auf. Was er sah, lähmte jedoch seine Stimme. Der Schrei blieb ihm im Hals stecken.
    Auf der Wiese vor dem Stall lief Reckhardt im Kreis … und auf seinem Rücken saß, ohne Sattel, Wanda, das kleine Luder, vor sich den vor Freude quiekenden Leo haltend, Reckhardt, sich seiner Aufgabe voll bewußt, trabte leicht und vorsichtig im Kreis, aber plötzlich stutzte er, schien eine Witterung aufzunehmen und blieb stehen.
    »Weiter!« rief Wanda mit heller Stimme. »Recki, trab.«
    »Brrrrr!« brüllte Kochlowsky und stürzte mit weit ausholenden Schritten durch den Garten. »Bleib ganz ruhig sitzen, Wanda! Rühr dich nicht. Bist du denn total verrückt geworden?!«
    Statt stehenzubleiben, setzte sich Reckhardt langsam in Bewegung, ging auf eine Bank zu, wo er anhielt. Wanda kletterte von seinem Rücken herab und zog dann ihren Bruder Leo hinterher. Man sah, daß sie das nicht zum erstenmal tat.
    Kochlowsky erreichte sie völlig außer Atem, drückte den nun weinenden Leo an sich und starrte abwechselnd seine Tochter und sein Wunderpferd an. Reckhardt spielte mit den Ohren und hatte die Nüstern hochgeschoben.
    »Wie lange machst du das schon?« fragte Kochlowsky mit hohler Stimme. Seine Angst schlug in Erbitterung um. »Wie lange?«
    »Schon lange, Papa …«
    »Mit Leo?«
    »Erst allein.«
    »Du bist einfach auf Recki drauf? Ohne Sattel?«
    »Ich bin zu ihm in den Stall gegangen und hab' gesagt: ›Recki, du kommst jetzt mit mir raus in den Garten. Und du benimmst dich! Papa hat gesagt, dich kann nur

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