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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zu einem gewaltigen Sprung an.
    »Hinlegen!« brüllte der Kutscher noch, wollte sich vom Bock fallen lassen, aber auch das geschah eine Sekunde zu spät. Im hohen Sprung über den Jagdwagen erfaßten zwei Hufe noch die Schultern des Kutschers, wirbelten ihn durch die Luft. Ein gellender Schrei folgte, mit ausgebreiteten Armen klatschte der Mann in den Wagen und fiel über Kommerzienrat Wilhelmsen.
    Dieses Streifen war verhängnisvoll: Reckhardts Schwung wurde gebremst, der Sprung geriet kürzer, als er ihn berechnet hatte, das Gleichgewicht war gestört … unsicher kam er kurz hinter dem Jagdwagen auf dem Boden auf und knickte in der linken Vorderhand ein. Es gab einen häßlich knirschenden und knackenden Laut, und der Schmerz jagte wie ein Blitz durch seinen ganzen Körper bis ins Hirn.
    Mit einem Wiehern, das wie ein Aufschrei klang, versuchte das Pferd weiterzurennen, aber der Schmerz war so heftig, daß es stehenblieb, am ganzen Körper zitternd und das linke Bein anhebend. Und näher, immer näher kam das Schreien und Schießen der Verfolger.
    Während der Kutscher bewußtlos auf dem um Hilfe schreienden Kommerzienrat Wilhelmsen lag, humpelte Reckhardt weiter, in den Wald hinein, mit der verbissenen Energie einer Kreatur, die weiß, daß sie verloren hat und deren letzte Wegstrecke nur noch Verzweiflung ist.
    Eine kleine Schlucht, von einem Rinnsal in Jahrtausenden gesägt, versperrte ihm den Weg. Rund herum standen hohe Fichten so dicht beieinander, daß kein Fahrzeug mehr hindurch kam, und die kleine Schlucht mit dem Bach hatte einen von Wurzeln zerfurchten, ziemlich steilen Hang, den man nur mit gesunden Beinen überwinden oder umgehen konnte.
    Reckhardt von Luisenhof wandte den schönen Kopf nach hinten und lauschte. Seine vom Schweiß glänzenden Flanken zitterten, aus dem Maul flockte es in dicken Fäden. Die hetzenden Menschen waren nun ganz nahe. Er hörte sie, wie sie mit dem Mann in dem übersprungenen Jagdwagen sprachen, und dann sah er sie kommen, vorsichtig, zehn Reiter nebeneinander, mit Netzen und Stricken bewaffnet. Das Keuchen ihrer Pferde überdeckte jedes andere Geräusch, auch sein eigenes verhaltenes, schmerzerfülltes Wiehern.
    »Da steht er!« rief Förster Ursprung heiser. »Mein Gott, ist das ein Kerl! Warum läuft er nicht weiter? Warum wartet er hier auf uns? Was hat er vor? Männer, vorsichtig, sag' ich euch! Der Bursche hat einen Trick auf Lager! Seht nur seine Augen an! Da kommt noch etwas …«
    Das schöne Pferd senkte den Kopf, blickte hinab in die Schlucht und dachte zum letztenmal an seinen Herrn. An den einzigen Menschen, den er geliebt hatte, bis Wanda geboren wurde, und dann der kleine Leo. Nach einer Weile hob es den Kopf und atmete tief ein.
    »Das Netz ausbreiten!« rief der Erste Bereiter des Barons von Finck. »Er kann nicht weiter. Da ist eine Schlucht! Wir haben ihn! Wir haben ihn!«
    In diesem Augenblick schnellte sich Reckhardt hoch in die Luft. Mit offenem Mund, die Finger in die Mähne seines Pferdes gekrallt, sah Ursprung, wie das herrliche Pferd sich über der Schlucht im Sprung drehte, wie es mit dem Rücken in den Abgrund fiel und unten mit einem dumpfen Krachen aufkam. Es rollte sich noch auf die Seite und blieb dann liegen, den Kopf unnatürlich angewinkelt.
    »Was ist denn das?« stotterte der Erste Bereiter und starrte hinunter in den Bach. »Das gibt's doch nicht!«
    »Er hat sich das Genick gebrochen. Es war ein glatter Selbstmord!« Förster Ursprung wischte sich mit beiden Händen über das schweißnasse Gesicht. »Das glaubt uns keiner. Mein Gott, was für ein Pferd! Den Namen sollte man in Stein hauen …«
    Er faltete die Hände, aber er betete nicht – es war ja nur ein Pferd – aber letzten Endes war er froh, daß alles so gekommen war.

XXX
    Leo Kochlowsky weinte einen ganzen Tag. Er war nicht zu beruhigen, und Sophie gab schließlich auf, nachdem sie lange versucht hatte, auf ihn einzureden. Vor allem durfte sie nie sagen: Es war doch nur ein Pferd. Das nur hätte eine Explosion ausgelöst. Später, gegen Abend, lag Kochlowsky wie apathisch im Bett, starrte zur Zimmerdecke hinauf, und seine Hände zitterten stärker als bisher.
    An diesem Abend besuchte ihn auch Willibald Hammerschlag. Er war aus Dresden zurückgekommen und hatte eine gute Nachricht mitgebracht.
    Der Oberarzt des Tharandter Krankenhauses hatte keinen Zweifel daran gelassen, daß Kochlowsky wieder auf die Beine kommen würde, aber ob es zu irreparablen Schädigungen des

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