Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
davongaloppierende Pferd wieder zur Räson zu bringen.
    Blandine, dachte er trotzdem. Was ist da passiert? Was hat Kochlowsky mit Blandine zu schaffen? Sie waren allein im Haus, als er die Gans einfach mitnahm.
    Blandine …
    Kochlowsky …
    Er hielt sein Pferd an, starrte in den Schnee und spürte einen Stich im Herzen. Wenn etwas dran ist, dachte er voll Bitterkeit, machte ich es zum erstenmal wahr: Ich erschieße ihren Liebhaber!
    Ich erschieße Kochlowsky!
    In Wurzen wird man mich verstehen.

X
    Es war Tradition und wurde auch in diesem Jahr nicht vergessen: Eine Woche nach Silvester gab Graf Douglas auf Schloß Amalienburg seinen Neujahrsempfang für den benachbarten Adel und seine leitenden Herren.
    Es war ein glanzvolles und berühmtes Fest. Eine Einladung galt als große Ehre und wurde in den seltensten Fällen abgesagt. Graf Douglas, bei allem Reichtum ein sparsamer Mensch, öffnete für diesen Neujahrsempfang seine Taschen. Aus Leipzig kamen ein Orchester, das Ballet der Leipziger Oper und vier Sänger der Oper angereist. Zwei Schauspieler des Hoftheaters Dresden deklamierten Gedichte und Balladen, und zur festlichen Tafel spielte ein Kammerorchester aus Dresden in Rokokokostümen, meistens Stücke von Mozart, Händel oder Scarlatti.
    Ein ungewöhnliches Ereignis, vor allem für das kleine Wurzen.
    Auch Leo Kochlowsky war eingeladen, gegen den Widerstand des gräflichen Haushofmeisters, der höflich zu bedenken gab, daß man dann mit unangenehmen Zwischenfällen rechnen müsse. Auch der Erste Kammerdiener Emil Luther äußerte Zweifel, ob diese Einladung zweckmäßig sei. Allein schon der Gedanke, Kochlowsky bedienen zu müssen, schlug ihm auf den Magen. Graf Douglas aber bestand auf Kochlowskys Teilnahme. Wenn alle übrigen leitenden Herren der Douglas-Betriebe eingeladen wurden, wäre es eine glatte Beleidung, Kochlowsky auszusparen. Die Ziegelei war schließlich ein Musterbetrieb. Leopold Langenbach hatte zwar früher den Betrieb untadelig geleitet, aber seit Kochlowsky in der Ziegelei das Kommando – im wahrsten Sinne des Wortes – übernommen hatte und Langenbach sich mehr um den Verkauf kümmerte, war die Arbeitsleistung um 14 Prozent gestiegen. Ein typischer Ausspruch Kochlowskys machte in der Ziegelei schnell die Runde: »Wer länger als sieben Minuten scheißt, ist darmkrank und bleibt zu Hause!« Es war also nicht mehr möglich, sich auf den Lokus zu verdrücken und dort gemütlich einen Zigarillo zu rauchen wie bisher. Woher Kochlowsky allerdings die Zeitspanne von sieben Minuten nahm, konnte sich keiner erklären. Der Vorarbeiter Julius Schramme testete es mit der Uhr in der Hand und kam erfreut vom Lokus zurück. In sieben Minuten kann man allerhand erledigen, sie reichen auch für einen Zigarillo, wenn man etwas hastiger zieht. Sieben Minuten sind – genau betrachtet – eine großzügige Zeit … Deshalb unterblieb auch jeder Protest. Immerhin – die Arbeitsleistung steigerte sich gewaltig.
    Die Einladung war also heraus. Kochlowsky probierte seinen Gehrock an, er saß vorzüglich wie in Pleß. »Er war schon ein hervorragender Schneider, der Moshe Abramski aus Radom«, sagte Kochlowsky und drehte sich wohlgefällig und ein wenig affektiert vor dem Spiegel. »So etwas fehlt hier völlig! Ein jüdisch-polnischer Schneider. Himmel, wie elegant sahen wir alle in Pleß aus, verglichen mit diesen Mümmlern hier in Wurzen! Dieser Gehrock sitzt ohne ein Fältchen!«
    »Mußt du nicht bei einem solchen Fest einen Frack tragen, Leo?« fragte Sophie.
    »War der Gehrock beim Fürsten gut genug, ist er's auch beim Grafen. Was ziehst du denn an, mein Schatz?«
    »Ich bleibe hier, Leo.«
    Kochlowsky starrte sie durch den Spiegel betroffen an.
    »Das ist unmöglich! Du bist ausdrücklich miteingeladen!«
    »Entschuldige mich mit irgend etwas. Mit Migräne, Influenza, Fieber … Ich bleibe bei Wanda. Was soll ich auf dem Schloß? Ich kenne doch diese Feste von Bückeburg und Pleß her. Ich gehöre da nicht hin. Bitte, Leo, laß mich zu Hause.«
    »Du hast Angst vor diesen feinen Pinkels?«
    Sie wollte das nicht zugeben, und deshalb schüttelte sie nur den Kopf. Sie dachte auch an das Erntedankfest in Pleß. Ein paar Tage vorher hatte sie dem Verwalter Leo Kochlowsky, der ihr nachstellte, erzählt, der junge Leutnant Eberhard von Seynck tanze mit ihr einen neuen amerikanischen Siedlertanz, den Hilliebillie, an dessen Ende man einen Juchzer ausstößt und sich küßt. Das hatte Kochlowsky keine Ruhe

Weitere Kostenlose Bücher