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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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billige Arbeitskräfte erhalten, aber die Ärzte warnen, die Psychologen, die Sozialisten, die Menschenrechtler. Sie nennen es Ausbeutung, modernes Sklaventum, Verbrechen am Kind, und sie haben recht damit. Die Arbeiterfamilien treiben in die Lungenschwindsucht, und die Reichen in die Fettsucht; die einen vegetieren in engen, düsteren Wohnungen, wohin nie ein Sonnenstrahl dringt, die anderen bauen sich Paläste und fahren zur Kur nach Bad Pyrmont, San Remo oder Marienbad. Auch bei Plumps wird es nicht anders sein: Im nächsten Jahr wird der Älteste vierzehn – da ist es sicher, daß er als Handlanger in der Ziegelei anfangen wird. Im Jahr darauf der nächste kleine Plumps … Jede Hand ist wichtig im Überlebenskampf. Und wer den Mund aufmacht, fliegt auf die Straße. Niemand schützt ihn! Wer einmal arbeitslos geworden ist, weil er Gerechtigkeit gefordert hat, dem haftet fortan ein Makel an. Er bleibt ein Arbeitsloser. Welcher Fabrikant will einen Rebellen anstellen? So ist das jetzt im Jahr 1889.
    »Aber Gott hat Plumps eine Frau gegeben, die rechnen kann«, sagte Pastor Maltitz bedrückt. Er wußte selbst, wie lahm das war.
    Kochlowsky erwiderte dann auch mit Genuß: »Es fehlt nur noch, daß sie beten sollen, um satt zu werden. Statt einer Scheibe Brot die dritte Strophe des Liedes Nummer 274 …«
    »Vorzüglich!« Pastor Maltitz lächelte wieder. »Sie haben es genau getroffen, Leo! Das Lied hat zwar nur zwei Strophen, aber es lautet: ›Wir danken Gott für seine Gab'n, die wir von ihm empfangen hab'n, und bitten unsern lieben Herrn, er woll' uns hinfort mehr bescher'n, und speisen uns mit seinem Wort, daß wir satt werden hier und dort …‹ und so weiter!«
    »Es ist zum Kotzen! Für alles hat die Kirche einen Spruch parat!« Kochlowsky griff in die Tasche, holte dann die Hand geballt wieder heraus, öffnete sie und legte ein paar Geldscheine auf den Tisch. Maltitz blickte ihn fragend an. »Das sind fünfundzwanzig Mark«, sagte Kochlowsky.
    »Das sehe ich. Eine Sonderkollekte?«
    »Sie können mich für alles halten, Herr Pastor, nur nicht für blöd!« Kochlowsky tippte auf die Geldscheine. »Das hier ist das Fundament Ihrer Lüge. Jeden Monat werde ich Ihnen jetzt fünfundzwanzig Mark bringen, und Sie geben das Geld an die Plumps weiter mit der Weisung, daß sie dafür Lebensmittel kaufen, nichts anderes. Woher das Geld kommt – Sie wissen es nicht. Es liegt einfach jeden Monat in einem Briefumschlag in Ihrem Briefkasten. Das ist die Lüge, die ich von Ihnen erwarte, Herr Pastor. Eine fromme, eine christliche Lüge im Kampf gegen Hunger und Elend.«
    »Und warum soll niemand wissen, daß Sie der Wohltäter sind?« fragte Maltitz. Rührung kam in ihm hoch; er war versucht, Kochlowsky zu umarmen. Ihm war aber auch klar, daß das das Dümmste gewesen wäre, was er hätte tun können.
    »Wohltäter! Sie sprechen es aus! Mir wird übel bei diesem Wort! Wenn Sie auch nur die leiseste Andeutung machen, stelle ich die Zahlungen sofort ein. Das war's!« Kochlowsky knöpfte seinen Pelzmantel wieder zu, stülpte die Pelzmütze auf den Kopf und ging hinaus in die Diele. Aus dem Hintergrund, vom Ende des langen Flures, lugte Johanna Klaffen zu ihnen herüber. Kochlowsky hatte sie natürlich längst bemerkt und sagte an der Haustür dröhnend: »Das gilt auch für diese Kläffer, Herr Pastor. – Ein Schandmaul bleibt ein Schandmaul, auch wenn man es mit Honig einschmiert!«
    Zufrieden verließ er das Pfarrhaus, stieg in seine Kutsche und fuhr davon. Aus ihrem Versteck hervor schoß Johanna Klaffen und schwang beide Fäuste.
    »Du hast es gehört, Paulus!« schrie sie mit hoher Stimme. »Du kannst mich nicht daran hindern. Er ist ein Teufel.«
    »Dem heute Flügel gewachsen sind … das sind die täglichen unbeachteten Wunder.« Pfarrer Maltitz ging in sein Arbeitszimmer zurück, nahm die Geldscheine und schloß sie in eine Schublade ein. Übermorgen wollte er sie zu Plumps bringen, die Familie sollte ein gutes Neujahr haben!
    Wer wird aus diesem Leo Kochlowsky klug? dachte er und setzte sich in seinen Ledersessel, in dem er immer seine Predigten ausarbeitete. Wie kann ein Mensch so gespalten sein? Er hatte so etwas noch nie erlebt.
    Einen Tag nach Weihnachten traf Kochlowsky auf den Oberförster Rechmann.
    Sie begegneten sich auf der Landstraße. Rechmann fuhr in die Stadt, Kochlowsky kam aus Wurzen und war unterwegs zur Ziegelei. Bock an Bock hielten sie an und begrüßten sich höflich. Ferdinand Rechmann,

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