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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Liste gegeben hatte. Aber in der Glut der Rache verbrennt oft die Vernunft.
    Am Abend gab es bei Kochlowsky sächsische Wickelklöße mit gebratenen Schweinerippchen. Es ist schon etwas Herrliches, eine Köchin zur Frau zu haben, vor allem eine aus dem Fürstenschloß. Kochlowsky aß mit großem Appetit, trank dazu ein Bier, das Sophie in einem gläsernen Syphon geholt hatte, und saß dann wohlgesättigt im Sessel und entfaltete die Wurzener Zeitung.
    »Da geht ein Gerücht um«, sagte er beiläufig, ohne sein kleines Frauchen anzusehen, »hast du auch davon gehört?«
    »In Wurzen gehen viele Gerüchte um.« Sophie setzte sich auf die Bank am Kachelofen und nahm ihr Strickzeug vor. Ein Jäckchen für Wanda, wenn man im Frühjahr mit ihr ausfahren konnte. Jacky, der weiße Spitz, lag zusammengerollt zu Leos Füßen – ein Bild trauten Familienlebens, wie von Richter gemalt. »Wurzen ohne Gerüchte wäre kaum zu ertragen. Gerüchte sind die Würze von Wurzen …«
    »Fabelhaft!« Kochlowsky sah sein Frauchen begeistert an. »Das muß ich mir merken: Die Würze von Wurzen – ich meine das Gerücht von dem Tagebuch …«
    »Ach!« Sophie beschäftigte sich wieder intensiver mit der Strickarbeit. »Das Tagebuch der Blandine Rechmann …«
    »Ja. Weißt du davon?«
    »Nichts. – Was weißt denn du?«
    »Seit heute mehr!«
    »Du hast es gesehen?«
    »Nein, ich habe mit einem gesprochen, der befürchtet, drinzustehen. Das Tagebuch soll eine Liste all der Männer enthalten, die mehr oder weniger …«
    »Man sagt es.« Sie blickte schnell zu Leo hin. »Was hast denn du mit der Liste zu tun?«
    »Das ist es ja.« Kochlowsky lachte verhalten. »Man glaubt, ich sei im Besitz des Tagebuchs …«
    »Du? Warum gerade du? Wie käme Frau Rechmann dazu, dir ihr Tagebuch …?«
    »Ich sage ja – es ist lächerlich. Außerdem muß das Tagebuch als rächendes Erbe Ferdinand Rechmann weitergegeben haben, nicht Blandine selbst.«
    »Ach so! Und du hast es?«
    »Nein! Man nimmt es an!«
    »Mit welcher Begründung?«
    »Begründung!« Kochlowsky erkannte, daß sein sanftes, kluges Frauchen ihn in eine Ecke trieb, wo es nur noch die Selbstverteidigung gab. Sie machte es mit ihrer Unschuld ungeheuer raffiniert, ihre naiven Fragen brachten ihn in Bedrängnis. »Was heißt hier Begründung? Kann man Gerüchte begründen?«
    »An einem Gerücht klebt immer ein bißchen Wahrheit, Leo. Wo Nebel sind, ist auch Nässe.«
    »Deine dämlichen Sprüche aus Großmutters Schublade!« knurrte Kochlowsky. »Ich habe aus den Reden so viel herausgehört, daß man annimmt, Rechmann habe mir das Tagebuch mit der Liste gegeben.«
    »Warum gerade dir?« wiederholte sie naiv ihre Frage.
    »Das weiß ich eben nicht!« Von Rechmanns Attentat hatte sie nie erfahren … Den Zylinder, den er in der Ziegelei verbrannt hatte, hatte er Sophie gegenüber als von einem Pferd zertreten ausgegeben. Ein Windstoß habe ihn ihm vom Kopf direkt unter die Hufe geweht. Er glaubte fest, daß Sophie ihm das abnahm. »Ich war einfach paff!«
    »Und was hast du gesagt?«
    »Ich habe sie in dem Glauben gelassen.«
    »Leo!«
    »Nun fall nicht gleich in Ohnmacht. Sie sollen ruhig einmal im eigenen Saft braten.«
    »Mußt du mit allen Leuten Streit haben?«
    »Streit? Genau der hört auf!« Kochlowsky nahm einen kräftigen Schluck Bier und kam sich sehr behaglich vor. »Sie werden jetzt alle vor mir kuschen. Diese hochnäsigen, dummen Hornochsen!«
    »Was du da tust, ist nicht recht«, sagte Sophie still und strickte weiter an Wandas Jäckchen. »Einmal kommt die Wahrheit heraus … und dann? Mit Lügen kann einer durch die Welt kommen, aber bestimmt nicht zurück.«
    »Großmutters Mottenkiste!« Kochlowsky knisterte mit der Zeitung. »Solche Sprüche habe ich auch auf der Hand: Wenn die Sonne auf einen Misthaufen scheint, so antwortet er mit Gestank! – Und hier sind einige Misthaufen! Sie werden jetzt aufhören, gegen mich anzustinken.«
    »Du mußt wissen, was du tust, Leo.« Sie schüttelte den Kopf. »Du weißt ja doch alles besser.«
    »Allerdings, das weiß ich!« Kochlowsky streckte die Beine von sich, strich über seinen Bart und begann mit der Lektüre der Zeitung. Er sah nicht, wie Sophie ihn beobachtete und in ihrem Blick der Gedanke lag: Du bist genau wie die anderen ein Pharisäer … aber ich liebe dich.

XIV
    Der Frühling brach plötzlich mit der Schneeschmelze, warmen Winden aus Thüringen und eine Woche lang verschlammten, aufgeweichten Wegen herein.
    Leopold

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