Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
Liste überhaupt hat und wie er sich dazu stellt.« Möbelfabrikant Schimsky ließ noch einmal eine Runde Cognac eingießen. »Ich bin bereit, mit Kochlowsky zu sprechen. Ist das in Ihrem Sinne, meine Herren?«
Die anderen nickten stumm. Was sollte man noch diskutieren? Ein Lebenswerk konnte zerbrechen, nur weil man sich einmal mit dieser Blandine an einem geheimen Ort nicht wie ein treuer Ehemann verhalten hatte. Kochlowsky verfluchte man nun doppelt, weil ausgerechnet er nicht in den illustren Kreis hineingezogen worden war. Das hätte die Sache erleichtert, ja von selbst gelöst.
Aber was denkt man denn da? Wer sagte denn, daß Kochlowsky nicht auf der Liste stand? Wer kannte denn die Liste? Nur Rechmann! Und warum hatte Rechmann die Liste – wie man annahm – Kochlowsky gegeben? Als Sühnegeschenk für das Attentat, und wohl auch nur deshalb, weil er ebenfalls in der Namenkolonne stand! Vielleicht als letzter Triumph: Sieh, Kerl, du bist durchaus nicht allein. Da steht die ganze feine Gesellschaft neben und hinter dir. So eine war dein Liebchen Blandine. War es Rechmanns letzte Rache? Hatte er Kochlowskys Stolz treffen wollen?
Viele Fragen, die Fabrikant Schimsky mitschleppte, als er bei Kochlowsky in der Verwaltung der Ziegelei vorstellig wurde.
Kochlowsky war allein, wunderte sich über Schimskys Erscheinen und bot ihm Platz an. »Zigarre und Portwein?« fragte er.
»Nein, danke bestens.« Schimsky nahm seufzend Platz. Sein schwerer Auftrag belastete ihn ungemein. Man sollte nicht um den heißen Brei herumreden, dachte er. Das ist bei Kochlowsky sowieso sinnlos. »Sie haben von der Liste gehört?«
»Von welcher Liste?« Kochlowsky setzte sich Schimsky gegenüber. »Unsere neue Angebotsliste? Sind Sie darüber erstaunt? Ja, wir werden den Betrieb gewaltig vergrößern und das Sortiment erweitern.«
Schimsky wischte sich übers Gesicht. »Die Liste, die in dem Tagebuch der Blandine Rechmann vorhanden gewesen sein soll. Eine Namensliste …«
»Ach die.« Kochlowsky lächelte verhalten. Plötzlich ahnte er, warum Schimsky zu ihm gekommen war, aber er fand keine Erklärung, was er mit der Liste zu tun haben könnte. Auch er hatte nur von dem Gerücht gehört. Nun saß Schimsky vor ihm, und alles deutete darauf hin, daß sein Name dazugehörte. Er hatte allenfalls Grund zu der Annahme, daß er darauf stand. »Ja, ich kenne sie …«
Schimsky atmete tief und röchelnd auf. Er gibt es zu, er hat sie. Er sagt: Ich kenne sie. Die Gefahr seines Lebens saß vor ihm. Sie hatten richtig vermutet.
»Können wir uns über die Satansliste unterhalten, Herr Kochlowsky?« fragte er mit belegter Stimme. Die Erregung schnürte ihm die Kehle zu.
»Natürlich! Warum nicht? Warum sollte man darüber nicht reden? Es wird noch viel darüber gesprochen werden …«
»Es wird …« Schimsky erbleichte und begann kalt zu schwitzen. »Soll das heißen, man will sie auswerten?«
»Sie ist pures Gold wert!« Kochlowsky steckte sich eine Zigarre an. Welch ein Rindvieh ist doch dieser Schimsky!
»Wenn es darum geht …« Schimsky schöpfte Hoffnung. »Über finanzielle Probleme kann man reden … Wenn sich damit alles regeln läßt …« Er beugte sich vor, starrte Kochlowsky an, dachte: Du verdammter Erpresser! – und lächelte dabei verzerrt. Um Ehre und Fabrik zu retten, war er bereit, tief in den Säckel zu greifen.
Es war ein zähes Gespräch, an dessen Ende Fabrikant Schimsky nicht wußte, was man eigentlich alles gesagt hatte. Ein Ergebnis kam jedenfalls nicht zustande, man wußte jetzt nur so viel, daß Kochlowsky auch bei großzügigsten Zugeständnissen nicht käuflich war. Sein Ausspruch ›Die Liste ist pures Gold wert‹ war nur eine rhetorische Floskel gewesen. Es ging – so sah es Schimsky jetzt mit Entsetzen – Kochlowsky lediglich um die Macht, die er gegen alle Betroffenen in Händen hielt. Man war ihm hilflos ausgeliefert. Ein paar Hinweise nur, ganz nebenbei verstreut, konnten vernichtend sein! An Kochlowsky kam man nicht mehr vorbei – das war das Deprimierendste!
Bedrückt, wenn auch nach außen hin sehr forsch, verabschiedete sich Schimsky nach einer Stunde und fuhr nach Wurzen zurück. Seine Leidensgenossen waren entsetzt über das Ergebnis der Unterredung, aber man hatte so etwas schon befürchtet. Dieser Kochlowsky war ein Satan. Man konnte den armen Oberförster Rechmann jetzt verstehen, daß er auf ihn geschossen hatte, man verstand jedoch überhaupt nicht, warum er gerade ihm die tödliche
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