Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
also Leo, eine Riesenüberraschung. Im Vorgarten des Hauses stürzte ihm ein gewaltiger Dobermann entgegen, sprang ihn an, richtete sich an ihm empor und leckte ihm übers Gesicht.
»Cäsar …«, stammelte Kochlowsky zutiefst ergriffen. »Mein Großer! Mein Sauhund! Mein Stummelschwanz! Wo kommst du denn her?«
Er drückte den Hund an sich, blickte sich um und sah Eugen seitlich hinter der Eingangstür stehen. An ihm vorbei schoß jetzt auch kläffend, wie es Spitz-Art ist, Jacky aus dem Haus und stürzte sich auf Leo Kochlowsky. Von zwei Hunden umringt, tappte er in die Diele und sagte in seiner unverwechselbaren Art:
»Und das ohne Vorwarnung! Du bist hier, Eugen! Gibt das eine verdammte Woche, denn so lange bleibst du doch, wie ich dich kenne. Mein Gott, bist du fett geworden!«
»Wie kann ein Engel wie du es bloß bei so einem Satan aushalten?« konterte Eugen und legte den Arm um Sophies Taille. »Komm zurück nach Pleß … im Schloß werden sie die Fahnen hissen, und die Jägerbläser werden dir ein Ständchen bringen.«
»Wo ist der Haselholzknüppel?« schrie Kochlowsky, aber seine Augen glitzerten vor Freude. »Ich dresche dem Fettwanst zwanzig Pfund Speck vom Leib.«
Es wurde ein gemütlicher Abend. Nach dem Essen trank Eugen zwei Flaschen Rotwein allein, deklamierte Verse aus einem neuen Drama, das vom Schwedenkönig Gustav Adolf handelte und in dem eine Marketenderin die Hauptrolle spielte, die in ihrem Verkaufswagen mehr die Röcke hochhob als Waren feilbot.
»Du Ferkel!« sagte Sophie nach diesem Vortrag. »So etwas soll auf einer Bühne gespielt werden? Wie tief ist die deutsche Kultur gesunken!«
»Muß sie ja …« Kochlowsky lachte breit. »Ein Volk, das einen Eugen Kochlowsky druckt und liest, ist weit genug!«
Die dritte Flasche Wein schaffte Eugen nicht mehr. Leo brachte ihn zu Bett und sah mit Staunen, daß Cäsar ebenfalls in die Federn sprang und sich zu Eugens Füßen wohlig zusammenrollte.
»Was ist nur aus dir geworden, Cäsar?« sagte Kochlowsky strafend. »Als du noch bei mir warst, hatten sie alle Angst vor dir! Und was bist du jetzt? Eine große Memme mit einer noch größeren, aber völlig ungefährlichen Schnauze. Schäm dich, Cäsar …«
Cäsar starrte Kochlowsky mit seinen großen tiefbraunen Augen traurig an, seufzte tief, schloß die Augenschlitze und stieß, wohl zur Abwehr weiterer Vorwürfe, einen dumpfen Schnarchlaut aus. Kopfschüttelnd verließ Leo das Fremdenzimmer.
»Wie lange will er bleiben?« fragte Sophie und räumte die Gläser weg.
»Ich weiß es nicht. Ich frage ihn auch nicht … Ich freue mich, daß er gekommen ist. Schatzel, brat morgen eine Gans. Er mag so gern Gänsebraten mit Rotkraut …«
Auch das war Leo Kochlowsky – man soll es nicht für möglich halten!
XV
Eugen blieb zwei Wochen. Er fand Wurzen sehr schön, was ihn bei seinem Bruder Leo verdächtig machte.
Sein Verdacht bestätigte sich, als der Fabrikant Fleckmann schon vier Tage nach Eugens Ankunft bei Kochlowsky in der Ziegelei erschien und ihm mitteilte, daß die ›Bürgergesellschaft‹ sehr daran interessiert sei, einen literarischen Abend mit dem Schriftsteller Eugen Kochlowsky zu veranstalten.
»Mein Bruder soll aus eigenen Werken lesen?« fragte Kochlowsky entsetzt.
»Das haben wir uns gedacht.« Fleckmann sah Sonne am Horizont. »Umrahmt soll die Lesung vom ›Wurzener Kammerorchester‹ werden. Außerdem hat sich Frau Hille, Sopran, sofort bereit erklärt, einige Schubert-Lieder beizusteuern. Es wird eine schöne Veranstaltung werden.«
»Wissen Sie, auf was Sie sich da einlassen?« fragte Kochlowsky dunkel.
»Wir kennen einige Bücher Ihres Bruders, natürlich!«
»Eugen wird aus einem neuen Drama vorlesen – so, wie ich ihn kenne.«
»Fabelhaft!«
»Es behandelt den 30jährigen Krieg und Gustav Adolf.«
»Hervorragend!« Fleckmann glänzte wie eine polierte Tomate. »Das ist ein Thema, das alle Wurzener interessiert.«
»Ich warne Sie, Herr Fleckmann!« Kochlowsky strich über seinen langen Bart. »Muß das sein?«
»Muß nicht – aber es wäre uns eine Freude und vor allem eine Ehre, den Dichter Eugen Kochlowsky in einer Lesung zu erleben …«
Fleckmann verließ die Ziegelei in dem Bewußtsein, Leo Kochlowsky genug Honig ums verdammte Maul geschmiert zu haben, um dann später etwas konkreter über die vernichtende Liebhaberliste der Blandine Rechmann reden zu können.
Wie zu erwarten war, sagte Eugen sofort zu, als man ihn in Wurzen, bei einem
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