Kochwut
Geschehen bei sich, fragte sich, was er falsch gemacht hatte. Er konnte nicht begreifen, wie der Junge, der fast eine Art Ziehsohn für ihn geworden war, die dunkle Seite hinter seinem Charme und seiner Liebenswürdigkeit so perfekt hatte verborgen halten können.
Mit frischem Grün und ersten Blumen im Park empfing ihn Güldenbrook an einem hellen Frühlingstag, als Pierre Lebouton Ende März nach Hause entlassen wurde.
»Jetzt fängt mein neues Leben an, du wirst sehen«, sagte er zu Hilde. Zu ihrem Erstaunen setzte er diesen Vorsatz mit einer Geradlinigkeit in die Tat um, die sie nicht erwartet hatte. Als Erstes beendete er seine Fernseharbeit, verkaufte die Idee der Show, vermietete das Studio und war nur noch höchst selten einmal als Gast dabei. Er stellte einen Geschäftsführer ein, der sich um die Vermarktung der Lebouton-Produkte kümmerte, und gab die Leitung seiner Restaurants in andere Hände. Er selbst kümmerte sich nur noch um das kleine Restaurant im Torhaus auf Güldenbrook – und er bildete weiter junge Männer aus, die nirgendwo sonst eine Zukunft gehabt hätten. Große Hoffnungen setzte er auf Ernie, dem er nach langen Gesprächen und vielem Nachdenken noch eine Chance gegeben hatte. Irgendwann hatte Pierre erkannt, dass er nicht ganz unschuldig an der Entwicklung war, die die Dinge genommen hatten.
Natürlich genoss Hilde die viele Zeit, die sie jetzt miteinander verbringen konnten. Oft waren sie in der Umgebung unterwegs, gingen spazieren, besuchten traditionelle Erzeuger in der Gegend auf der Suche nach Produkten für den Hofladen, planten eine Reise mit Hinrich ins Elsass und bekochten sich gegenseitig. Denn endlich hatte auch Pierre wieder Lust, in seiner Küche zu stehen, und so waren Hilde und ihr Vater nun öfter im Herrenhaus von Güldenbrook zu Gast und wurden exzellent bewirtet.
Es war der zweite Freitag im April. Jansen und Angermüller saßen nach der Mittagspause im Büro und ließen es ruhig angehen. Bald war Wochenende. Jansen fuhr am Sonnabend mit Vanessa nach Berlin. Sie hatte ihm Eintrittskarten für ein Musical und eine Übernachtung im Hotel geschenkt. Er stand zwar nicht auf ›son Kram‹, wie er sagte, ein Bundesligaspiel wäre ihm lieber gewesen, aber er freute sich trotzdem darauf. Und Angermüller hatte nichts Bestimmtes vor und fand das wunderbar. Am Sonnabendvormittag auf den Markt, nachmittags ein bisschen im Garten werkeln und abends was Nettes kochen und Sonntag, man würde sehen, vielleicht ins Schwimmbad mit den Mädchen.
Da kam der Anruf aus Lensahn.
»Moin! Wir haben hier was für euch. Einen dicken Fisch sozusagen!«
Den Weg kannten sie noch gut. Wie immer gab Jansen sich Mühe, ihn in Rekordgeschwindigkeit zurückzulegen. Aber diesmal nahmen sie nicht die Allee, deren Bäume bis zum Torhaus von Güldenbrook in frischem Grün prangten, sondern bogen nach links auf eine schmale Nebenstraße ein.
»Das muss eigentlich bald kommen«, meinte Jansen ungeduldig.
Sie ließen Felder und Wiesen hinter sich und durchquerten einen dichten Mischwald. Als der sich wieder lichtete, sahen sie einen uniformierten Kollegen neben seinem Einsatzfahrzeug am Straßenrand stehen. Der Mann bedeutete ihnen anzuhalten.
»Am besten, Sie parken hier das Auto. Da drüben ist es.«
»Wo? Da ist ja gar nix zu sehen von einem See«, fragte Jansen.
»Sehen Sie da vorn das Gebüsch? Genau dahinter.«
Sie gingen bis zu der Stelle, wo die kleine Straße einen scharfen Knick machte, und bogen das Gestrüpp zur Seite. Vor ihnen glitzerte ein Gewässer in der Sonne. Gleich links zwischen den Bäumen am Ufer des kleinen Sees stand ein großer Trecker, davor ein paar Männer.
»Moin, ich bin der Pächter hier. Kalle Mientau«, grüßte ein Großer, Kräftiger, als Angermüller und Jansen bei ihnen ankamen. Er gab ihnen eine schwielige Hand.
»Hallo Herr Mientau«, erwiderte Angermüller. »Haben Sie den Fang gemacht?«
»Nö, stundenlang im Wasser rumstehen, das is man nich mein Ding. Das waren die beiden hier.«
Er zeigte auf die zwei Männer in Anglerhose und T-Shirt neben sich.
»Ne, ne, ne«, sagte der eine und schüttelte ungläubig seinen Kopf. »Die Saison fängt ja gut an. Wir waren hier eigentlich für Hecht und Zander, und dann erlebst du so wat. Ne, ne, ne.«
»Und ich dachte, Mann, der Niels hat aber einen fetten Oschi an der Angel«, mischte sich sein Kumpel ein. »Aber dat ging nich vor und nich zurück, und dann is seine Angelschnur gerissen.«
»Und dann ham
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