Kochwut
Vor- und Nachnamen, Kollege Timm.«
Jansens Einwurf brachte den Kriminalkommissarsanwärter etwas aus der Fassung, und er geriet kurz ins Stottern, dann fing er sich wieder.
»Also, die Zeugin Patricia Hennig sagte aus, dass Güldenbrook die Blomberg für die sinkenden Quoten verantwortlich hielt und bei Lebouton gegen sie Stimmung machte. Er soll gesagt haben, sie gelte seit 20 Jahren als hoffnungsvolles Talent, doch dass sie wirklich eines sei, hätte sie noch nie bewiesen, und er sehe nicht ein, dass sie auf seine Kosten noch weitere 20 Jahre bei ›Voilà Lebouton!‹ herumstümpert. Außerdem würde sie die junge Zuschauergeneration vergraulen. Und Lebouton hat wohl offene Ohren für Güldenbrooks Vorschläge gehabt, zumal er und Alix Blomberg auch ein eher gespanntes Verhältnis haben sollen.«
»Ja, das war sehr ausführlich, vielen Dank!«, nickte Angermüller.
»Sieh mal an! Die kleine Praktikantin. Was die alles so mitkriegt«, stellte Jansen erstaunt fest. Angermüller machte sich sofort eine dicke Notiz, dass sie unbedingt am nächsten Tag noch einmal mit dem Mädchen reden sollten. Dann nahm er den Faden seines Resümees wieder auf.
»Da wir bisher den genauen Tat- beziehungsweise Todeszeitpunkt nicht kennen, wissen wir auch nicht, wie wasserdicht die Alibis der Zeugen sind, die wir bisher erfragt haben.«
Ein kurzer, leiser Signalton war zu hören und wenig später ertönte er noch einmal.
»Du hast eine SMS gekriegt«, flüsterte Jansen und stieß seinen Kollegen an, der neben ihm saß. Angermüller fingerte sein Handy aus der Hosentasche und ließ sich die Nachricht anzeigen, ehe erneut das Signal ertönen konnte. Die Kommunikation mithilfe dieser Kurzmitteilungen war nicht seine Welt. Er nutzte sein Mobiltelefon zum Telefonieren und fand diese Möglichkeit mittlerweile auch sehr praktisch, aber das Verfassen einer Nachricht auf der kleinen Tastatur war ihm lästig, und er hatte seine diesbezüglichen Fähigkeiten immer noch nicht verbessert. Kurzmitteilungen gehörten für ihn in die Welt alberner Teenager. Natürlich! Julia und Judith!
Wieder einmal hatte er vergessen, zu Hause Bescheid zu sagen, dass es heute später würde und er nicht wie versprochen für das Abendessen seiner Töchter würde sorgen können. Astrid war heute Abend auch nicht zu Hause. Als Sozialpädagogin arbeitete sie in einem Hilfsprojekt für Asylbewerber. Sie war sehr engagiert, die Arbeit füllte sie aus, und seit einiger Zeit häuften sich ihre Termine am Abend und sogar am Wochenende. Auch heute hatte sie wohl wieder irgendeinen beruflichen Termin, was er im Wust der Ereignisse dieses Tages vergessen hatte. Manchmal blitzte in ihm der Gedanke auf, ob Astrids viele Zusatztermine nicht noch einen ganz anderen Grund haben könnten.
›Hunger!!! Wann kommst du??? J&J‹, stand auf dem Handy-Display.
Angermüller bat Jansen, ihn zu vertreten, und verließ kurz den Sitzungsraum, um seine Töchter anzurufen.
»Hallo Papa! Sollen wir uns praktischerweise was zum Essen bestellen?«, fragte Julia ihn sofort.
»Wie kommst du darauf?«
»Na ja«, sagte sie in ihrer manchmal etwas altklugen Art, »wenn du gleich hier wärst, hättest du doch nicht extra noch mal vom Handy aus angerufen, oder?«
»Da hast du wohl recht. Es tut mir leid, aber wir haben hier noch eine Dienstbesprechung, und danach hab ich auch noch zu tun und komm nicht gleich nach Hause …«
»Das ist doch kein Problem, Papa! Louise und Maike sind hier. Die schlafen bei uns. Mama hat’s erlaubt. Dürfen wir Chinesisch?«
»Habt ihr überhaupt genug Geld zu Hause?«
»Mama hat uns was dagelassen. Für alle Fälle, sagte sie.«
Er spürte, wie er sich darüber ärgerte, dass Astrid sich offensichtlich von vornherein nicht auf ihn verlassen wollte. Es ärgerte ihn jetzt umso mehr, dass er diese Annahme wieder einmal bestätigt hatte.
»Gut, dann bestellt euch was beim Chinesen, und es tut mir leid, dass ich euch nicht früher angerufen habe.«
»Nicht so schlimm. Wir mögen doch Chinesisch!«
Er hörte Judith und die beiden anderen Mädchen im Hintergrund ein Freudengeheul anstimmen. Die Kinder waren jedenfalls nicht böse, dass er nicht nach Hause kam, um zu kochen.
»Na gut. Dann sucht euch was Schönes aus, aber keine Cola dazu! Es gibt Apfelsaft und Mineralwasser zu Hause. Und räumt den Müll hinterher weg, damit Mama nicht schimpft. Und bitte geht nicht so spät ins Bett.«
»Papa, wir sind keine Babys mehr. Außerdem ist morgen Samstag und
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