Kochwut
die schnelle Aufklärung des Giftanschlags auf Maja Graflinger der Presse als großen Fahndungserfolg verkaufen zu können. Sie hatten den Chef mit viel Geduld überzeugen können, dass man weiterhin größte Diskretion walten lassen sollte, um nicht noch mehr Medienleute nach Güldenbrook zu ziehen.
Georg hörte Astrids lautes Lachen, als er seine Jacke an die Garderobe hängte, und sah im Spiegel sein graues, missmutiges Gesicht. Kein Wunder, so frustriert wie er war. Die Vernehmungen von Clemens von Güldenbrook in Lübeck hatten überhaupt keine neuen Anhaltspunkte erbracht. Der junge Mann war in nichts von seiner Version des Mordabends abgewichen und blieb weiterhin stur bei seiner Weigerung, den Namen seiner Begleiterin zu nennen. Er hatte es auch nicht für nötig erachtet, seinen Anwalt zu benachrichtigen. Ob sie wohl doch auf dem Holzweg waren? Gern hätten sie ihn wenigstens 24 Stunden festgehalten. Eine Nacht zwischen den nackten Betonwänden einer Zelle im Tiefgeschoss in der Possehlstraße hatte schon so manchem verstockten Täter die Zunge gelöst. Staatsanwalt Lüthge hatte sofort davon abgeraten. Es seien keine plausiblen Gründe vorhanden, hatte er argumentiert, die ein solches Vorgehen rechtfertigten. Auch Angermüller musste zähneknirschend zugeben, was er mit einer gewissen Sturheit nicht hatte wahrhaben wollen: dass ihre Verdachtskonstruktion überhaupt nicht hieb- und stichfest war, da sie auf reinen Hypothesen beruhte. So mussten sie den jungen Güldenbrook schließlich ziehen lassen, der sie nicht eines Blickes würdigte, als ein Freund ihn abholte.
Jetzt war es kurz vor 20 Uhr. Georg musste sich schnell umziehen und die Weinflasche holen, die er als Gastgeschenk für Steffen besorgt hatte. Bevor er nach oben ging, wollte er noch seiner Familie Guten Tag sagen, ehe er sich gleich wieder auf den Weg zu seiner Einladung machte, und betrat die Küche.
»Das ist ein Elefant!«, schrie Julia gerade.
»Ich kann nicht mehr!«, stöhnte Judith gleich darauf, und ihre Schwester bekam fast keine Luft mehr vor Lachen. Die beiden saßen Martin gegenüber, der Angermüllers gewohnten Platz eingenommen hatte, mit dick aufgeplusterten Backen wilde Grimassen schnitt und komische Laute von sich gab. Auch Astrid, die eher selten zu lauter Fröhlichkeit neigte, hörte er schon wieder albern kichern.
»Hallo Papa! Kannst du das auch? Das ist echt geil!«, rief Judith, als sie ihren Vater hereinkommen sah.
»Mach doch auch mit!«, forderte Julia ihn auf. »Wir machen Tiere nach, und Leute.«
»Hallo ihr alle! Wirklich lustig euer Spiel«, nickte Angermüller mit einem schrägen Seitenblick auf Martin. Der holte zwei Walnüsse aus seinem Mund und sagte leicht verlegen »Hallo Georg«, und auch Astrid hörte auf zu kichern und drehte sich nach ihm um.
»Hallo Schatz«, begrüßte er sie und strich ihr kurz über die Schulter. »Habt ihr euch eine leckere Pizza gemacht?«
»Der Martin hat seine Spezialpizza für uns gemacht, und wir haben geholfen«, erklärte Judith stolz. »Ich hab den Teig platt gemacht.«
»Und ich hab Gemüse und Käse geschnitten«, fügte Julia nicht weniger stolz hinzu. »Das war voll cool und schmeckt echt so lecker!«
»Die Pizza musst du auch mal mit uns machen. Der Martin gibt dir bestimmt das Rezept dafür«, forderte Judith.
»Na ja, euer Vater kriegt das sicher auch ohne Rezept hin«, meinte Martin mit einem schiefen Lächeln zu Georg, der auf der Arbeitsplatte bereits die aufgerissene Packung mit dem Fertigteig entdeckt hatte.
»Setz dich doch, Papa. Da ist noch was übrig von der Pizza für dich, und mitspielen sollst du auch, das macht echt Spaß.«
Julia deutete auf den Stuhl neben sich.
»Ich glaube, euer Papa bekommt gleich was noch Besseres als meine Pizza zu essen«, warf Martin ein. »Das ist zwar kaum zu glauben …«
»Echt? Was isst du, Papa?«
»Ich würde ja gern hier bei euch bleiben, aber ich hab leider überhaupt keine Zeit. Ich bin bei Steffen zum Essen eingeladen und muss gleich wieder los.«
Für einen Moment erschien so etwas wie Enttäuschung auf den Gesichtern der Zwillinge, doch schon in der nächsten Sekunde wendeten sie sich wieder Martin zu und baten ihn, ein neues Rätsel zu stellen. Georg wäre wirklich gern bei den Kindern geblieben, aber er hatte nun mal heute diese Verabredung, die ja vor allem der Hochzeitsvorbereitungen wegen getroffen worden war. Astrid hatte die ganze Zeit nichts gesagt und beobachtete die Kinder und Martin, wie
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