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Köhler, Manfred

Köhler, Manfred

Titel: Köhler, Manfred Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irrtümlich sesshaft
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festgestellt hatte, dass er der Czibull ihren tatsächlichen Verrat weniger verübelt hatte als Peter Schuster den eingebildeten Vorfall. Er gab ihm also den Geldschein.
    In der Woche bis zur vereinbarten Rückzahlung bat Liane Czibull ihn zum Gespräch.
    „Ich will die Arbeit der Redaktion anders organisieren“, eröffnete sie ihm. „Und ich will den Lokalteil neu strukturieren.“
    Sie erläuterte ihm ihr Konzept. Bisher waren die Themen auf den durchschnittlich fünf Lokalseiten täglich wahllos gemischt und lediglich nach einem Kriterium geordnet: Was für die Stadt bedeutend war und halbwegs interessant, kam auf Seite 1, der Rest wurde nach abnehmender Wichtigkeit auf die übrigen Seiten verteilt. Künftig wollte Liane Czibull die Themen nach drei Schwerpunkten gliedern. Allgemeine lokale Unwichtigkeiten wie Vereinsmeldungen, Veranstaltungshinweise, Werbetexte, Ehrungen oder Geburtstage sollten auf den Seiten 3 bis 5 verschwinden, mit diesen Seiten wollte sie nichts zu tun haben, sie würde sie an Walter Wonschack abgeben, sollte der damit machen was er wollte. Liane Czibull als stellvertretende Redaktionsleiterin und inoffizielle Nr. 1 machte sich selbst ein Geschenk mit einer neu konzipierten Nachrichtenseite, auf der ausschließlich überregional nennenswerte Meldungen, folgenschwere politischen Neuigkeiten und vor allem spannende Polizeiberichte zu finden sein sollten – die neue Seite 1. Nicht weniger wichtig aber sei ihr, so unterrichtete sie Lothar Sahm, eine weitere Top-Seite, die künftige Seite 2, mit lesenswerten Hintergrundberichten, Porträts und Interviews, insgesamt eine Mischung aus dem Besten, was Wallfeld an Neuigkeiten mit zwischenmenschlichem Bezug zu bieten hatte, ein wenig Boulevard-Glamour über die hiesige Promi-Szene, über erfolgreiche Sportler und ihretwegen auch Künstler und dazu ein bisschen große weite Welt, sofern sich ein Bezug zu Wallfeld herstellen ließ. Gerne dürfe diese Seite auch um kleine harmlose erfundene Geschichten bereichert werden, dafür müsse dann ein neuer Name gefunden werden, Glossen dürften sie nicht mehr heißen. Insgesamt also sollte diese Seite 2 auf den Massengeschmack ausgerichtet werden, sollte alle Leser an die Rundschau binden, nicht nur die politisch interessierten oder in Vereinen engagierten, sollte also eine Seite sein, die auch Nicht-Wallfelder fesseln musste.
    „Ich dachte, dass Sie diese Seite künftig eigenverantwortlich machen, Lothar, möchten Sie?“
    Und ob er wollte! Aber er war skeptisch.
    „Eigenverantwortlich, was heißt denn das?“
    „Das heißt, dass Sie die Themen auswählen und festlegen, dass Sie bestimmen, was Sie selbst schreiben und was Sie an andere Redaktionsmitglieder abgeben möchten, dass Sie alles redigieren, was auf die Seite gehört, die Bildauswahl treffen, das Layout machen und nach der Veröffentlichung für alles geradestehen, was diese Seite betrifft.“
    Lothar Sahm nickte.
    „Okay.“
    „Na wunderbar. Wir stellen kommenden Monat um. Bis nächste Woche hätte ich gerne schon mal eine Nullnummer einer solchen Seite 2, schaffen Sie das?“
    „Na, aber sicher!“
    Lothar Sahm hätte fünf Nächte durchgearbeitet, um rechtzeitig fertig zu werden, von einer solchen Arbeit hatte er immer geträumt. Erst jetzt empfand er auch Dankbarkeit dafür, dass sie seinen Rausschmiss zum momentanen Zeitpunkt verhindert hatte. Ihm war klar geworden, dass er weniger Faustpfand war als es im ersten Augenblick den Anschein gehabt hatte – Crähenberger hätte ihn, auch ohne eine Liane Czibull damit in die Schranken weisen zu wollen, wegen der Buchveröffentlichung gefeuert, dann aber ohne Hintertür zurück, sein Motto lautete in der Tat „Vertrag ist Vertrag“.
    Liane Czibull hatte ihm die Kündigung erspart und einen faszinierenden Aufgabenbereich zugeteilt, hatte ihm begleitend dazu einen Teil Verantwortung zurückgegeben und damit auch neue Begeisterung für seinen Beruf. Mit Letzterem hatte er im Leben nicht mehr gerechnet!
     
    Dass Liane Czibull nach wie vor auch für ganz andere Überraschungen gut war, erlebte er drei Tage später. Peter sprach ihn nach Feierabend auf dem Parkplatz wegen der 100 Euro an.
    „Mir ist das unendlich peinlich, aber ich kann sie dir einstweilen nicht zurückgeben.“
    „Macht nichts, lasse dir Zeit. Wenn du übrigens noch was brauchst...“
    „Nein, lass nur, ich bekomme bald Arbeitslosengeld.“
    „Wieso das denn?“
    „Die Czibull hat mir eröffnet, dass ich nicht länger als

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