Köhler, Manfred
an, dass ihm sehr recht war, dass sie hinzu kam.
„Wo wollt ihr zwei denn hin?“, fragte sie, deutlich verunsichert.
„Nur eine kleine Unterredung“, antwortete Crähenberger und zeigte ihr ein angedeutetes Lächeln. Lothar Sahm meinte darunter die Reißzähne sich abzeichnen zu sehen. Sie waren ihm doch nicht gezogen worden – und Liane Czibull wirkte in diesem Moment auch nicht wie die Frau, die in der Lage sein würde, die Zange anzusetzen.
Es drängte ihn, als sie die Treppen in den ersten Stock nahmen, etwas zu sagen, irgendeine kleine Freundlichkeit, eine heitere Belanglosigkeit, um die Situation zu entspannen und damit das abzuwenden oder wenigstens abzumildern, was da nun wieder auf ihn zukommen mochte. Aber da war nichts in diesem Ballon über seinen Schultern außer heißes Blut und Beklemmung.
„Bitte sehr.“
Der Geschäftsführer hielt seinem Redakteur die Tür auf. Lothar Sahm bedankte sich mit einem Nicken und dachte: Was hat den bloß so verändert? Früher hat er nicht mal seinen Mitarbeiterinnen die Tür aufgehalten, zuletzt schlich er so gebeutelt umher, dass er seine Leute kaum wahrnahm – und jetzt: der strahlende Sieger, galant und charmant. Ohne Umweg über das Nebenzimmer ließ er Lothar Sahm in sein Büro eintreten.
„Bitte setzen Sie sich!“
Er ließ sich Zeit, um seinen Schreibtisch herumzugehen, sich bequem hinzusetzen, die Beine übereinander zu schlagen, die Sitzhaltung noch einmal zu ändern, nun das andere Bein zuoberst, sein Telefon ein wenig zur Seite zu rücken, er räusperte sich.
„Ich weiß, dass ich Ihnen Frau Czibull als Ihre Vorgesetzte zugeteilt habe, deshalb kann ich Ihnen jetzt keinen Vorwurf daraus machen, dass Sie ihren Weg mitgegangen sind. Sie hätten nicht alles widerspruchslos mitmachen müssen, was diese Frau verlangt hat. Nicht jede ihrer Anordnungen hatte dienstliche Hintergründe, aber das konnten Sie ja nicht wissen.“
Er schaute ihn an mit einem Blick, der fragte: Oder wussten Sie das doch? Lothar Sahm starrte mit großen Augen zurück. Er zog es vor, erst mal den Ahnungslosen zu spielen. Crähenberger fixierte ihn durchdringend, schüttelte dann enttäuscht den Kopf.
„Diese Steinzeit-Glosse zum Beispiel, ich frage mich, wer sich so was immer ausgedacht hat. Man muss doch ein bisschen Gespür dafür haben, dass man damit nicht nur bestimmte Personen ärgert, sondern der ganzen Stadt schadet. Seit dieser Ausgrabung wird unser Blatt bundesweit wahrgenommen, große Zeitungen ziehen uns als Quelle heran – was macht das für einen Eindruck auf die, wenn sie lesen müssen, dass die Funde, über die alle Welt staunt und uns beneidet, in Wallfeld selbst durch den Kakao gezogen werden statt in ihrer Einmaligkeit hervorgehoben?“
Wieder machte er eine Kunstpause, schaute Lothar Sahm dabei sehr traurig an. Der war der Meinung, er müsse nun endlich was sagen.
„Nein, sagen Sie jetzt bitte nichts! Ich habe Sie nicht wegen dieser Glosse zu mir gebeten, dafür kann ich Sie ja nicht zur Verantwortung ziehen. Ich wollte das nur noch loswerden. Nun aber zum Eigentlichen.“
Crähenberger nahm von dem Stapel überregionaler und ausländischer Zeitungen, die er sich jeden Tag kommen ließ, die oberste weg, schlug sie auf, faltete sie zurecht und schob sie Lothar Sahm hin. Der verstand jetzt gar nichts mehr.
„Um den Einspalter da geht es.“
Es war die Samstagsausgabe dieser Zeitung. Auf einer Sonderseite über die Frankfurter Buchmesse war eine kleine Meldung rot umringelt und ein Name unterstrichen: sein eigener. Unter einer ganzen Reihe von Veranstaltungen war auch seine Lesung erwähnt worden, nur in Stichworten, aber immerhin mit Angabe des vollständigen Buchtitels, der beiden Autoren und des Verlages.
„Ich muss zugeben, dass nicht ich es war, der Sie da entdeckt hat. Der Herr Eckard von der Buchhandlung in der Fußgängerzone hat mich gefragt, ob Sie das sind und warum darüber in unserer Zeitung nichts zu lesen war. Ich sagte ihm, dass unser Herr Sahm einfach zu bescheiden sei, um sich mit so was in den Vordergrund zu spielen. Aber wir beide wissen, dass Sie einen ganz anderen Grund hatten, diese kleine Nebentätigkeit zu verschweigen, nicht wahr?“
Crähenberger öffnete eine Schublade seines Schreibtisches und zog zwei Dokumente hervor. Lothar Sahm schüttelte den Kopf. Wieso denn Nebentätigkeit?
„Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen. Welchen Grund sollte ich gehabt haben, ich meine, das ist doch meine Privatangelegenheit
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