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Köhler, Manfred

Köhler, Manfred

Titel: Köhler, Manfred Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irrtümlich sesshaft
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freier Mitarbeiter eingesetzt werde, und ohne dieses Geld komme ich nicht zurecht. Also blieb mir nichts anderes übrig als mich arbeitslos zu melden.“
    „Aber wieso will sie dich nicht mehr einsetzen?“
    „Weil sie es leid ist, meine Artikel jedes
Mal umschreiben zu müssen, das kostet sie zu viel Zeit.“
    „Die spinnt doch! Dann machst du halt bei meiner Seite mit, ich kann einsetzen, wen ich will.“
    „Das ist schön von dir, aber darum geht es ja gar nicht. Die will mich loswerden. Wir konnten von Anfang an nicht miteinander, na ja, wegen dieser Vierecksgeschichte.“
    „Sie muss ja nicht wissen, dass du für die Seite schreibst, das tricksen wir schon hin.“
    „Nein, ich will das nicht, ich habe mich auch schon entschieden. Das war heute mein letzter Tag. Ich bin dieses Leben leid, ich will wieder einen festen Arbeitsplatz. Ich bin jetzt bundesweit arbeitssuchend gemeldet, egal was, Hauptsache fest angestellt.“
    Lothar Sahm schüttelte den Kopf. Er versetzte sich selbst in diese Lage, alles aufgeben zu müssen, Anfang 50 ganz allein noch mal in einer fremden Gegend bei Null anfangen zu müssen. Wie er selbst war Peter in Wallfeld geboren und hatte immer nur hier gelebt. Er liebte sein Haus, er liebte die Stadt. Seine Frau war hier begraben.
    „Ich rede mit Liane. Auf mich hört sie. Es wäre doch gelacht, wenn wir dich nicht noch bis zur Rente durchkriegen!“
    „Nein, bitte mache das nicht! Ich will mit der nichts mehr zu tun haben.“
    Lothar Sahm sah ihn trotzig an.
    „Wenn man sich erst mal damit abgefunden hat, ist es gar nicht so schlimm. Ich freue mich sogar ein bisschen auf den Neuanfang, vielleicht ist das ja auch eine Chance. Was hätte mich hier schon noch erwartet außer das tägliche Einerlei? Ich melde mich, wenn ich dein Geld habe.“
    „Nein, ich will es nicht. Nimm es als mein Abschiedsgeschenk.“
    „Gut. Aber nur, wenn du versprichst, dir vor der Czibull nichts anmerken zu lassen.“
    Lothar Sahm versprach es. Peter stieg in sein Auto. Die beiden verloren sich aus den Augen.
    Peter Schuster fand tatsächlich Arbeit. Ein Bekannter, dem er nach der DDR-Grenzöffnung geholfen hatte, in den Raum Wallfeld überzusiedeln, vermittelte ihm eine Festanstellung bei einem Anzeigenblatt in einer vorpommerschen Kleinstadt; Peter meldete den Erfolg per E-Mail an Lothar Sahm und schilderte in knappen, aber eindringlichen Sätzen, welches Glück es sei, sich einer neuen Herausforderung zu stellen, und das in fremder Umgebung und im Umgang mit einem ganz anderen Menschenschlag, man blühe auf und entdecke neue Seiten an sich, ein echter Jungbrunnen sei das. Sie schrieben sich eine Zeit lang, dann schlief der Kontakt ein.
    Bis zu Peters erster Mail lebte Lothar Sahm in stiller Dankbarkeit vor sich hin, er genoss es, nach Herzenslust einkaufen gehen zu können und nicht auf den Cent schauen zu müssen, genoss die Vorfreude auf Alaska. Was nutzte es, frei zu sein und schreiben zu können, aber aufgrund von Geldmangel festzusitzen, sich solche Reisen nicht leisten zu können? Als sich Peter dann meldete, freute er sich mit ihm, das Credo des früheren Kollegen war nun auch seines: Es geht nichts über eine Festanstellung! Dann aber dachte er sich: Und nun – sitzt er irgendwo da oben und hat eben dort seinen lähmenden Alltag, davon schreibt er natürlich nichts.
    Lothar Sahm selbst hatte in dieser Zeit alles andere als einen lähmenden Alltag: Er nutzte das Potential seiner Seite, knüpfte Kontakte in alle Richtungen, zu Musikern, zu innovativen Geschäftsleuten, zu weltreisenden Wallfeldern, aber immer nur zu solchen, die etwas zu sagen hatten, er duldete keine Selbstbeweihräucherungen und keine Schleichwerbung auf seiner Seite, keine aufgebauschten Belanglosigkeiten. Immer ging es ihm um Menschen, die etwas aus ihrem Leben machten, sich weiterentwickelten, statt sich im Kreis zu drehen – ihnen fühlte er sich zugeneigt, weil er meinte, auch selbst endlich aufgehört zu haben, sich im Kreis zu drehen. Er kam voran mit seinem Roman durch einen ganz einfachen Trick: Er tat so, als seien seine Figuren Gerhard und A. Zufallsbekanntschaften am Alaska Highway, die er für den zweiten Reiseführer zu porträtieren habe, ausgewanderte Deutsche, die von ihrem Neuanfang in der Wildnis erzählten. Was würde die Leser interessieren, was musste er sie fragen, am besten getrennt voneinander, damit sie auch ehrlich waren?
    Diese Porträts seiner Figuren waren zugleich Teil seiner Vorbereitungen auf die

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