Köhler, Manfred
tut dir leid? Dass du mich angeschnauzt hast? Oder was du danach gemacht hast?“
„Danach, wieso? Ich bin nach Hause gegangen und habe dort geschrieben.“
„Ich komme gerade von Crähenberger. Er hat mir nahegelegt, meinen Beruf nicht länger als unter meinem Niveau zu betrachten. Im Übrigen sei ich nicht unersetzlich. Wer sich da als möglicher Ersatz ins Gespräch gebracht haben könnte, hat er offen gelassen. Vielleicht ein freier Mitarbeiter, der gerne wieder fest angestellter Redakteur werden möchte.“
„Du denkst allen Ernstes, ich hätte dich angeschwärzt?“
„Hast du?“
„Nein! Wie kannst du mir das zutrauen?“
„Dann muss es wohl ein dummer Zufall gewesen sein.“
Er wollte an Peter vorbei gehen. Der hielt ihn am Arm fest und schaute ihm ins Gesicht.
„Ich war es wirklich nicht.“
Kaum war Lothar Sahm zu seinem ersten Termin dieses Tages aufgebrochen, klopfte Peter Schuster an die Bürotür Liane Czibulls.
„Was ist denn?“
„Ich muss mal kurz mit Ihnen reden, Frau Czibull.“
„Sie meinen: Siebl!“
„Frau Siebl, Sie haben doch gestern diesen Vorfall zwischen dem Kollegen Sahm und mir miterlebt. Lothar ist heute vom Geschäftsführer deswegen heruntergeputzt und verwarnt worden. Ich war es nicht, der da irgendwas in den ersten Stock getragen hat, Walter Wonschack war es ganz bestimmt auch nicht.“
„Was wollen Sie eigentlich von mir? Sie sind ein freier Mitarbeiter. Interna haben Sie nicht zu interessieren.“
Er schluckte, blieb aber freundlich.
„Wissen Sie, wie lange ich dieser Redaktion angehört habe?“
„Und wenn Sie 100 Jahre dabei gewesen wären, jetzt gehören Sie nicht mehr zum Team. Ich will nicht gemein sein, aber ich muss sagen, Ihr Abgang war, auch ganz abgesehen von den Umständen, bitter nötig und eine wichtige Verjüngungskur für diese Zeitung.“
„Schon klar, Sie haben Ihren Willen ja auch bekommen. Aber übertragen Sie das, was eigentlich nur uns beide und den Geschäftsführer betrifft, nicht auch noch auf die Kollegen.“
Aber da hatte Liane Czibull sich schon ihrem Computer zugewandt und Peter Schuster den Rücken zugedreht.
Eine halbe Stunde zu spät und mitten in die laufende Hochzeitsmesse platzte Lothar Sahm am Freitagabend ins Foyer der Stadthalle. Mit Erleichterung begriff er, dass Messe und Modenschau zwei Paar Stiefel waren und die Modenschau erst in einer halben Stunde beginnen würde. Zeit genug also zum Glück, sich Notizen über das Angebot der Messestände zu machen und ein paar Schnappschüsse einzufangen.
Während er die Kamera aus der Tasche holte und das Blitzgerät aufsetzte, ließ er den Blick wandern. Um den Eingang des Saales gruppierten sich Bekleidungsgeschäfte mit Mode für Hochzeitsgäste, den Bräutigam und, am umfangreichsten, für die Braut. Bei den Hochzeitskleidern erkannte er eine füllige Dame, aber er wusste sie nicht recht einzuordnen. Sie strahlte und streckte ihm von weitem beide Hände entgegen.
„Ich bin die Veranstalterin, Rosa Guttler, wir kennen uns vom Geburtstag von meinem Opa.“
Opa? Die Dame Guttler sah aus wie weit über 50!
„Na, Sie wissen schon, der Fünfundneunzigste in Auwiesendorf. Sie haben mindestens zehn Fotos gemacht. Opa wollte unbedingt den Präsentkorb mit im Bild haben.“
Jetzt dämmerte es. Landrat, stellvertretender Landrat und Alt-Landrat – das musste an jenem Freitag gewesen sein, als die Czibull ihn von seinem Schreibtisch verdrängt hatte.
„Also wirklich“, plapperte Rosa Guttler, „mein Opa hat sich so gefreut, das war sein tollster Tag seit Langem. So ein wunderschönes Bild und ein so netter Glückwunschtext, deshalb wollte ich auch unbedingt Sie als Berichterstatter für heute Abend. Jedenfalls, mein Opa, wenn der 100 wird, dann nur, weil er noch mal von Ihnen mit seinen Nachfolgern für die Zeitung fotografiert werden will, uhuhuh.“
Ihr Lachen war so seltsam gurrend, dass er einfach mitlachen musste. Seine Laune hob sich. So eine nette Frau! Und er hatte damals gedacht, das Honoratioren-Getümmel sei eine Qual gewesen für den alten Mann. Die Dame Guttler zupfte ihn mit zwei Fingern am Ärmel und zog ihn zu ihrem Stand.
„Sie wissen ja, ich bin vom Hochzeitsmodenhaus Braut und Bräutigam . Das ist meine Nichte Sarah Svenson, sie macht zur Zeit ein Praktikum bei mir im Geschäft. Sarah, this is Lothar Sahm, the very good newspaper reporter I told you.“
Die junge Frau gab ihm brav die schmale Hand und strahlte ihn an.
„How are
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