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Köhler, Manfred

Köhler, Manfred

Titel: Köhler, Manfred Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irrtümlich sesshaft
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Besenkammer, damit hätte ich Ihnen nichts Neues gezeigt. Ein Turmzimmer noch, aber das halte ich verschlossen, der Eingemauerte gibt sonst wieder wochenlang keine Ruhe. Diese Wände drücken nach innen und nehmen so viel an Raum, wie Sie bemerkt haben mögen, der alte Kasten wirkt dadurch von außen doppelt so groß als er in Wahrheit Zimmer hat. Also, was wollen Sie von mir wissen? Wollen Sie vielleicht ein Glas Milch?“
    Lothar Sahm ließ sich in einen der Ledersessel sinken, Blick auf die Gemälde und das Fenster mit Aussicht. Der Gastgeber blieb stehen.
    „Später vielleicht.“
    „Was sagen Sie zu den Bildern?“
    „Na ja, also, ich verstehe nicht viel von Kunst, aber sie gefallen mir schon ganz gut.“
    „Sie sind grässlich, vom künstlerischen Standpunkt aus betrachtet. Aber für mich selbst sind sie das Wertvollste auf der Welt. Ihre erste Frage?“
    „Ist Siegmar Sarburger Ihr echter oder Ihr Künstlername? Ich habe in früheren Veröffentlichungen keinen Hinweis darauf gefunden.“
    „Natürlich mein wirklicher Name. Ich finde es lächerlich und entwürdigend, sich hinter Fantasienamen zu verstecken, das ist nichts als Selbstverleugnung. Die nächste Frage?“
    „Dieser Eingemauerte, meinen Sie damit, es spukt hier? Das war doch ein Scherz, oder?“
    „Was denken Sie denn? Glauben Sie nicht daran? Habe ich auch nicht, bevor ich hier eingezogen bin. Fragen Sie mich weiter!“
    „Was ist denn passiert, als Sie eingezogen sind?“
    „Ich will das nicht vertiefen. Die nächste Frage?“
    Na, das ging ja gut los. Offenbar war das einer, der gleich zur Sache kommen wollte. Sollte er haben:
    „Ihre Erkrankung, die Sie am Telefon andeuteten, man sieht Ihnen gar nichts an. Was haben Sie denn?“
    „Ich habe nie gesagt, dass ich krank bin. Ich habe nur gesagt, das wird wohl das letzte Interview, das ich gebe. Das gilt auch, wenn ich noch zehn Jahre leben sollte.“
    „Ich verstehe das nicht.“
    „Ihre Gesprächsführung ist sehr unsensibel, ich hatte mir einen Profi erhofft. Fallen Sie nicht so mit der Tür ins Haus! Oder sind das gar nicht Sie, der all diese anderen Interviews geführt und dieses Kanada-Buch geschrieben hat?“
    „Sie kennen das Buch?“
    „Ohne dieses Buch hätte ich Sie nie zu mir eingeladen. Ich war neugierig. Jetzt bin ich enttäuscht. Ich denke, wir brechen hier ab. Ich wünsche keinen Artikel über mich, nicht von Ihnen.“
    Lothar Sahm hatte erst einmal zu begreifen, dass er, kaum empfangen, schon wieder hinausgebeten worden war. Er saß da wie geohrfeigt – beschämt, wütend, mit klopfendem Herzen und erglühenden Wangen, aber entschlossen nicht zu weichen. Sarburger ging zur Treppe voran.
    „Wenn ich Sie also bitten dürfte...“
    „Eine letzte Frage noch.“
    Der Burgherr wandte sich ihm halb zu.
    „Sie wollten eigentlich keine Interviews mehr geben, baten mich aber zu sich. Was haben Sie sich denn erhofft im Vergleich zu den Interviews, die Sie nicht mehr wollten? Sind die auch alle mit der Tür ins Haus gefallen?“
    Der alte Mann schaute ihn leeren Blickes an.
    „Nein. Die haben um den heißen Brei herumgeredet und mir die Ohren vollgeschleimt und mich dann in ihren Artikeln auflaufen lassen. Immer der gleiche Schmutz. Es ging nur darum, wie ich angeblich die Frauen hintergehe und um Alkohol und Drogen.“
    Sein Blick ging jetzt an seinem Gast vorbei ins Nichts. Über zehn Meter hallende Distanz versicherte Lothar Sahm, gerade noch hörbar:
    „Ich weiß, ich habe über Sie gelesen, was noch aufzutreiben war. Ich will das alles aber nicht noch einmal aufwärmen, es sei denn, Sie möchten es. Mich interessiert viel mehr, welchen inneren Weg Sie gegangen sind und ob Sie sich heute am Ziel sehen. Hat das Leben ein Ziel? Sie haben doch von einer Bilanz gesprochen. Soll diese Bilanz daran scheitern, dass ich meine Fragen Ihrer Meinung nach nicht in der richtigen Reihenfolge stelle? Es geht doch um das, was ich hinterher schreibe.“
    Siegmar Sarburger schwieg. Er schwieg lange, und er schwieg noch immer auf einen Rauswurf hin.
    „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort“, sagte Lothar Sahm leise und eindringlich, „dass Sie den Artikel vor der Veröffentlichung lesen und korrigieren oder auch völlig verwerfen können. Aber meine Fragen stelle ich so, wie sie mir einfallen, anders kann ich nicht arbeiten.“
    Der Blick des alten Mannes ging aus der Leere heraus wieder zurück auf seinen Gast. Er schlurfte zu den beiden freien Sesseln, ließ sich nieder auf dem Lothar Sahm

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