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Köhler, Manfred

Köhler, Manfred

Titel: Köhler, Manfred Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irrtümlich sesshaft
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Czibull, von der er sich heimlich ein Lob erhofft hatte, konnte mit diesem etwas verwahrlosten, seelisch sichtlich angeknacksten Hobby-Maler, mit seiner Lebensbeichte und seinen Bildern nichts anfangen; seine Erfolge wie auch sein zweifelhafter Ruhm waren vergessen, Interesse an seiner Sicht zu längst verklungenem Tratsch bestand nicht, und sein Bekenntnis zum Augenblick war offenbar nicht nachvollziehbar. Lothar Sahm ließ sich von mangelnder Resonanz nicht betrüben. Er hatte den Artikel geschrieben wie einen neuen Entwurf für das eigene Leben. Es genügte ihm, den Text in die Welt gesetzt zu haben und zu wissen, er hatte eine Qualität an sich, die über aller Kritik stand. Eine gute Gelegenheit wäre das gewesen, um auszusteigen, so dachte er sich: Zu steigern war seine Arbeit bei dieser Zeitung nun nicht mehr.
     
    Er hätte allerdings auch nicht damit gerechnet, dass es ihm nicht einmal für ein paar Tage gelingen würde, das Niveau seiner Seite 2 wenigstens eine Handbreit über dem Durchschnitt lokaler Berichterstattung zu halten. Die Themenliste, die er auf Walter Wonschack abgewälzt hatte, fand zu ihm zurück, und zwar auf dem Umweg über den ersten Stock. Andreas Crähenberger persönlich hatte knapp die Hälfte der zwei Dutzend Listeneinträge mit giftgrünem Leuchtstift markiert und dazugekrakelt: Diese Termine müssen („müssen“ doppelt unterstrichen) auf Seite 2 behandelt werden. Gezeichnet: die Geschäftsleitung. Lothar Sahm trug den Wisch schnurstracks zu Liane Czibull.
    „Jaja“, sagte sie, „er hat mich schon darauf angesprochen. Das sind alles Anzeigenkunden, die mit ihren Jubiläen und Aktionen unbedingt auf die 2 wollen. Verstecken Sie das Zeug doch einfach irgendwo zwischen den guten Artikeln.“
    „Aber wieso? Wir haben doch eine klare Gliederung, und danach gehören alle diese Themen auf die Seiten 3 bis 5.“
    „Mir brauchen Sie das nicht zu sagen, ich habe mir diese Gliederung schließlich ausgedacht. Nur leider, Sie sehen ja: Keine Regeln ohne Ausnahmen.“
    „Aber welchen Sinn macht das, ich meine... was spricht dagegen, die Artikel dort zu platzieren, wo sie hingehören? Ansonsten sind wir ganz schnell wieder bei dem Mischmasch, den wir früher hatten.“
    Liane Czibull schaute ihn finster an. Warum konnte er nicht hinnehmen, dass sie nicht mehr völlig freie Hand hatte? Wollte er sie denn zwingen zuzugeben: Ich kann da nichts machen?! Auch wenn sie ihm gewogener war denn je – Angriff hieß bei ihr immer noch Gegenangriff.
    „Lothar, eines muss ich jetzt mal ganz klar feststellen: Ich kann Sie von vielem befreien, aber gelegentlich kommen auch Sie nicht um die Niederungen unseres Berufes herum.“
    „Es geht hier nicht darum, ob ich persönlich etwas gern oder ungern mache, es geht um die Frage, ob ich für diese Seite verantwortlich bin oder nicht. Wenn ja, dann will ich sie so machen, wie ich es für richtig halte. Wenn nicht...“
    Sie schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. Die Hautauffälligkeit auf ihrer Nase schien sich zu kräuseln.
    „Wer zuhört, muss keine dummen Fragen stellen. Ich habe doch längst gesagt, wie es gemacht werden soll: Die Seite 2 auf gewohntem Niveau und gelegentlich diese markierten Artikel einstreuen, bis die Liste abgearbeitet ist. Hat man denn daran so schwer zu kapieren?“
    „Bevor die Artikel auch nur zur Hälfte abgearbeitet sind, ist die Liste längst doppelt so lang, weil dadurch andere Firmen erst auf die Idee kommen, mit ihrer Schleichwerbung auf diese Seite zu wollen. Aber wie Sie wünschen...“
    Er ging zur Tür.
    „Lothar – nehmen Sie es doch einfach als Kompliment. Die wollen alle nur deshalb auf die 2, weil sich herumgesprochen hat, dass die am meisten gelesen wird.“
    „Was sich bald ändern wird, wenn die Werbetexte überhandnehmen.“
    „Ach was, Sie müssen sich halt um Ausgewogenheit bemühen. Wenn die 2 nicht nur den Leser freut, sondern auch den Anzeigenkunden, dann sorgt das für Wohlwollen im ersten Stock, und wir haben alle ein leichteres Leben. Nur Mut, Sie machen das schon.“
    Er wollte es aber nicht irgendwie schon machen und sich so durchmogeln. Lange genug hatte er derart gelebt. Inzwischen galt für ihn: Ganz oder gar nicht! Aber wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann wurde in diesem Fall seine Trotzigkeit zwar durchaus von journalistischem Ehrgeiz gespeist, vor allem aber vom Schmollen des enttäuschten Kindes in ihm. Letztlich ging es darum, dass er gezwungen wurde, etwas zu machen, was

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